Die äussere Hülle – Über die Ästhetik des Buchumschlags

Artikel als PDF herunterladen

von Nana Badenberg

sph-Kontakte Nr. 105 | Juli 2018

Buchumschläge gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Stand ursprünglich die Schutzfunktion klar im Vordergrund, so ist es heute – den durchschaubaren Zwängen der Buchfolie geschuldet – eher die werbliche Botschaft. Die Ästhetik des Buchumschlags ist also wichtig, auch wenn man sich nur selten Gedanken über sie macht. Entsprechend beliebig wirkt manch ein Umschlag, der im Schaufenster der Buchhandlung die Blicke auf sich ziehen möchte. Doch bei allen Freiheiten, die es für die Gestaltung eines Buchumschlags zu geben scheint, die äussere Hülle muss zuallererst eines: den Inhalt vermitteln, das heisst, eine visuelle Brücke schaffen zwischen dem Text und den – potenziellen – Leserinnen und Lesern. Genau darum geht es Klaus Detjen in seiner kurzen Geschichte des Buchumschlags. Er zeigt dabei – selbst mit Leib und Seele Typograf –, dass ein solches Vermitteln allein durch die Schrift, durch das Schriftbild möglich ist. Ausgangspunkt des in der von Detjen selbst herausgegebenen Reihe «Ästhetik des Buches» erschienenen Essays sind grundsätzliche Überlegungen, etwa zu den Eigenschaften, die bei der Umschlaggestaltung zu berücksichtigen sind: Lesbarkeit, Ästhetik, Handhabung und Haltbarkeit. Im Anschluss daran entrollt er entlang der Arbeiten einschlägiger Typografen die Entwicklung der Formensprache in der deutschen, zeitweilig bundesrepublikanischen Umschlagsgestaltung.

Am Anfang steht die neue Typografie und die ästhetische Erneuerung der 1920er-Jahre: das Aufkommen der Fotocollage (Heartfield, Moholy- Nagy), die Entwicklung neuer Schriften (Tschichold, Renner, Weiß) und eine neue Form der Ästhetik, wie sie etwa der gelernte Bühnenbildner Georg Salter auf die Inszenierung des Buchumschlags übertrug. Immer sind es klare, ganz auf die Typografie konzentrierte und den gesamten grafischen Raum nutzende Entwürfe, die überzeugen. Virtuos, wie präzise Detjen die ausgewählten Umschläge beschreibt; man folgt ihm dabei gern, auch wenn der Wunsch nach eigener Anschauung den Gang ins Internet nötig macht. Typografie ist, so zitiert Detjen den Künstler und Gestalter Friedrich Vordemberge-Gildewart, «ein zeitlicher Verlauf, wie die Musik». Sie ist dabei immer auch Bild, Schriftbild, also ein räumlicher Entwurf. Es geht bei der Gestaltung daher um Rhythmus und Balance.

Die typografischen Möglichkeiten sind gross, ebenso die Vielfalt der Schriften und Schriftschnitte. Dennoch fällt auf, dass es immer wieder einzelne Schriftklassiker sind, die überzeugen: Garamond, Futura, Akzidenz-Grotesk; sie kommen auffällig häufig vor, wenn Detjen gelungene, harmonische Gestaltungen beschreibt. Und es gibt Klassiker der Umschlaggestaltung. Wer erinnert nicht die klaren, nüchternen oder, wie er selbst sagte, «vernünftigen» Umschläge, die Willi Fleckhaus in den 1960er- und 1970er-Jahren für Suhrkamp schuf. Die Schrift ersetzte das Bild. Zur selben Zeit prägte Celestino Piatti das Erscheinungsbild von dtv: ein markantes Reihenkonzept, das zwischen Titel und Verlagslogo zwar durchaus bunte Abbildungen vorsah, das aber nicht zuletzt durch die rechtsbündige Ausrichtung einen klaren typografischen Rahmen setzte. Hannes Jähn war damals für Kiepenheuer & Witsch tätig, und Heinz Edelmann schuf die quittengelben Bände der Reihe Hanser oder die in ihrer sperrigen Bildhaftigkeit aufregenden Cover von Klett-Cotta.

Diesen ‹Klassikern› der Umschlaggestaltung lässt Detjen eine Reihe jüngerer Gestalter folgen, die ebenfalls in ihrem Schaffen vorgestellt werden: Walter Hellmann, der mit typografischem Understatement die gesammelten Werke eines Nabokov oder Tucholsky umhüllt hat, Victor Malsy, der, deutlich experimenteller, die Buchstaben zum Tanzen und die Zeilen zum Stürzen bringt, sowie Nina Rothfos und Patrick Gabler, bei deren Umschlaggestaltungen eine Vorliebe für den Bildraum füllende Majuskeln ins Auge springt. Und schliesslich Friedrich Forssman, der mit akribischer Gewitztheit bis ins Detail ausgefeilte Umschläge gestaltet, so etwa einer zu Anna Blume, der mit Blindprägung und Leerstellen das Prinzip der Schwitter’schen Dichtung aufgreift und durchführt. Und der Umschlag von Detjens Buch? Grau mit einer auffälligen roten Fläche in der Mitte, die Ecken wechselseitig abgerundet und angeschnitten, die weisse Schrift weit links und leicht schräg gestellt – und, um den Bildraum gestalterisch zu füllen und dem Ganzen Balance zu geben, feine schwarze Linien, die in verschiedene Richtungen weisen. Sie verbinden Punkt und Buchstabe. Eigenwillig und selbsterklärend. Und die genaue typografische Erläuterung steht auf der vorderen Umschlagklappe.

Klaus Detjen: Außenwelten. Zur Formensprache von Buchumschlägen. Göttingen: Wallstein Verlag, 2018, 88 S., 17 Abb., br., € 14.90