Das Projekt Bernstein – Gedächtnis der Papiere jetzt online
von Emanuel Wenger, Wien
sph-Kontakte Nr. 89 | Juli 2009
Abb. 1 Startseite des Bernsteinportals (www.memoryofpaper.eu)
Mit Februar 2009 endete nach 30-monatiger Laufzeit das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) koordinierte EU-Projekt Bernstein. Ziel war die Vernetzung der europäischen Online-Datenbanken zum Thema Papier und Wasserzeichen. In einem gemeinsamen Portal werden sie nun einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Mit der Renaissance etablierte sich das Papier als wichtigster Datenträger und hat jene Position selbst im Zeitalter des papierlosen Büros halten können. Doch Papier ist mehr als nur die Information (Text, Bild usw.), die darauf steht. So verraten beispielsweise Wasserzeichen viel über Zeit, Ort und Art der Herstellung des Papiers, das sie kennzeichnen. Sie werden zur Datierung von Schriftstücken ebenso herangezogen so wie zu Rückschlüssen auf das ökonomische, soziale und kulturelle Umfeld, in denen das Papier entstanden ist.
Vier Kerndatenbanken
Im Rahmen des im September 2006 gestarteten EU Projekts Bernstein wurden vier grosse Daten-banken in einem gemeinsamen Portal (www.memoryofpaper.eu) zusammengeführt: das digitalisierte Wasserzeichen-repertorium von Piccard in Stuttgart (Piccard-Online, 92.000 Datensätze, www.piccard-online.de); die Daten-bank der Koninklijke Bibliotheek in Den Haag mit 16.000 Datensätzen von Wasserzeichen holländischer Inkunabeln (watermark.kb.nl); die Sammlung Wasser–zeichen des Mittel-alters (WZMA, -www.oeaw.ac.at/ksbm/wz/wzma2.htm) der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der ÖAW (aktuell 9.500 Datensätze) sowie die Papiersammlung des Dutch University Institute for Art History Florence (www.iuoart.org/wmdb.htm) mit derzeit 2.200 Datensätzen über Wasserzeichen in Papier, das von Malern wie Rembrandt oder Bosch verwendet wurde. Weitere Datenbanken, die derzeit im Entstehen sind und die eingescannten wichtigsten gedruckten Kataloge sollen in das Portal integriert werden.
Bernstein greift über SRU-Gateways direkt auf die verteilt vorhandenen Datenbanken zu und spiegelt diese nicht auf einem zentralen Server. Dadurch behält jede Institution die volle Kontrolle über ihre Daten.
Parallelsuche in den Datenbanken
Das Bernsteinportal erlaubt den parallelen Zugriff in sechs Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch) auf momentan 120.000 Wasserzeichen und Papierdaten. Diese Anzahl ist durch die weitere Integration von Datenbanken im Ansteigen begriffen. Um einen parallelen Zugriff zu den Datenbanken zu ermöglichen, musste die Wasserzeichen-terminologie (www.bernstein.oeaw.ac.at/watermark_terms.pdf) und damit zusammenhängend die Klassifikationssystematik vereinheitlicht werden. Darüber hinaus wurden im Zuge des Projekts die Datenbanken um bibliographische und geographische Inhalte kontextuell ergänzt. Jedes Suchresultat kann als Liste, als statistische Auswertung oder als Karte mit den Verwendungsorten der Papiere angezeigt werden. Software, die Bilder verbessert sowie quantitative Daten, wie z. B. die Grösse der Wasser-zeichen automatisch bestimmt, wird zur Verfügung gestellt.
Ein kostenloses, leicht zu installierendes Software-Paket (Kit) ermöglicht den Aufbau weiterer Datenbanken. Dieses kann runter geladen und in einer Microsoftumgebung zum Laufen gebracht werden. Eine Serie von Ausstellungen mit dem Titel «Ochsenkopf und Meerjungfrau» (bisher: Stuttgart, Wien, Fabriano, Rom, Mailand, Turin) hat das Projekt begleitet und wird fortgesetzt. Ein Katalog in drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Italienisch) führt in die Wasserzeichenkunde und Papiergeschichte ein und erläutert die Hintergründe, Zielsetzungen und Resultate des Bernsteinprojektes.
Zum Bernstein-Projekt
Bernstein ist ein Projekt im Rahmen des eContentplus Förderprogramms der Europäischen Kommission. Neben der ÖAW und der Technischen Universität Graz sind führende Institutionen im Bereich Wasserzeichen- und Papierforschung aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien und den Niederlanden am Projekt beteiligt.
Über das Projektende hinaus wird das Bernsteinportal von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften weiter betrieben und gewartet werden. Ein Folgeprojektantrag, um weitere Papier- und Wasserzeichendaten in das Bernsteinnetzwerk aufnehmen zu können, um die Benutzeroberfläche zu verbessern und zusätzliche Features einzubauen und um das Bernsteinportal in das Europäische Kulturportal Europeana (www.europeana.eu) zu integrieren, ist in Arbeit.
Weitere Informationen zum Bernstein-Projekt:
http://www.bernstein.oeaw.ac.at/
http://www.bernstein.oeaw.ac.at/twiki
Kontakt
DI Emanuel Wenger, Projektkoordinator
Kommission für Wissenschaftliche Visualisierung Österreichische Akademie der Wissenschaften
Donau-City-Strasse 1, 1220 Wien
+43 1 51581-6702
emanuel.wenger@oeaw.ac.at
www.viskom.oeaw.ac.at
Abb. 2 Katalog (Deutsch), erweiterte Suche (Motiv = Ochsenkopf, Datum = 1470–1480, Verwendungsort = Österreich)