Jahrestagung 2018 in Sélestat

Unsere diesjährige Jahrestagung fand im Elsass statt. Wir besuchten die Humanistenstadt Sélestat – von Erasmus einst überschwänglich gelobt –, die dem Papier in vielerlei Hinsicht verbunden ist. Dort besichtigten wir die älteste öffentliche Bibliothek des Elsass: die 1452 gegründete und dieses Jahr wiedereröffnete Humanistenbibliothek. Ihr Fundus geht zurück auf die Bestände der berühmten Schlettstädter Lateinschule sowie auf die Privatbibliothek des Beatus Rhenanus, die dieser seiner Geburtsstadt 1547 vermacht hat – übrigens inklusive eines Schulheftes, das der ehemalige Lateinschüler 1498/99 geführt hat. Dass der Bestand nie auseinandergerissen wurde, sondern im 19. und 20. Jahrhundert sogar noch erweitert, macht ihn so wertvoll. Er umfasst viele bedeutende Handschriften, darunter ein merowingisches Lektionar aus dem 7. Jahrhundert und das Wunderbuch der heiligen Fides, 550 Inkunabeln und an die 2500 Drucke des 16. Jahrhunderts. Seit 2011 gehört er zum Weltdokumentenerbe der Unseco und kann nun dank eines Erweiterungsbaus des Architekten Rudy Ricciotti sowie umfangreicher Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten auch mit einer neuen Ausstellung adäquat präsentiert werden. Bereits der Neubau mit seinen rosa Sandsteinsäulen, die sich in Farbe und Formensprache an die Fassade der Kornhalle anschmiegen, in der die Bibliothek seit 1889 untergebracht ist, war sehenswert.

Nach der Bibliotheksbesichtigung erfuhren wir bei einem kurzen Stadtrundgang weitere interessante Fakten, so scheint nicht nur Erasmus von Rotterdam von Sélestat sehr angetan gewesen zu sein, sondern lange vor ihm schon Karl der Grosse – er feierte im Jahr 775 in Sélestat Weihnachten.

Unser Tagungshotel befand sich etwa zehn Autominuten ausserhalb von Sélestat, in dem kleinen Ort Saint Hippolyte am Fusse der Haut Koenigsbourg und umgeben von Weinbergen. Nach dem Abendessen präsentierte Gerhard Becker noch einige Kalligraphie-Übungen aus verschiedenen Jahrhunderten, darunter auch ein schwierig zu entzifferndes Schrifträtsel.

Am Sonntagmorgen folgten spannende Vorträge von Gerhard Becker (Jakob Wimpheling- ein Humanist aus Sélestat), Yasmine Kerber (Perforierte Notenrollenpapiere als Tonsteuerungsträger mechanischer Musikinstrumente), Katrin Graf Lamei und Martin Kluge (Alternativen zu Gutenberg). Ein Kurzfilm, der die Restaurierungsmethoden des Klosters Praglia veranschaulichte, rundete die Tagung ab.