Eine klassische Festschrift in ungewöhnlichem Rahmen: das Buch zum Jubiläum der 150 Jahre alten Allgemeinen Musikschule Basel

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von Peter F. Tschudin, Riehen

sph-Kontakte Nr. 104 | Juli 2017

«Tonkunst macht Schule» lautet der Titel des gewichtigen Bandes, den die uns wohlbekannte Musikhistorikerin und Papierkuratorin Martina Wohlthat als Herausgeberin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin für alte Drucke und Rara in der Bibliothek der Musik-Akademie Basel präsentiert. Ein knapper Untertitel präzisiert den Inhalt: «150 Jahre Musik-Akademie Basel 1867–2017». Für Eingeweihte auf den ersten Blick nicht ganz verständlich, ist doch die Musik-Akademie Basel erst 1954 aus dem Zusammenschluss von Allgemeiner Musikschule (gegründet 1867), Basler Konservatorium (der 1905 ins Leben gerufenen ersten Ausbildungsstätte für Berufsmusiker der Schweiz) und der Schola Cantorum Basiliensis (begründet 1933 als Lehr- und Forschungsinstitut für alte Musik) entstanden. Doch soll man die Feste eben feiern wie sie fallen. Aber mit welchen Mitteln?

Wer im Zeitalter digitaler Tonträger von einem Institut der Tonkunst mit Elektronischem Studio und Jazz-Schule ein «elektronisches Buch» voll von Ton-Beispielen und -Reminiszenzen erwartet hatte, sieht sich enttäuscht, auch wenn in den Einleitungen zahlreiche gute Gründe dafür vorgebracht werden, der Allgemeinheit ein «klassisches», mit schwarz/ weiss-Bildern illustriertes Buch als dem Jubiläum gemässes Medium zu präsentieren. Aber Martina Wohlthat hat mit journalistischem Flair dem Leitsatz «Scripta manent» durch Einbezug einer schriftlichen Form von «Oral History», nämlich Berichten von Zeitzeugen und Interviews mit massgebenden Persönlichkeiten, eine neue Dimension verliehen, die in ihrer Lebendigkeit und direkten Stellungnahme zur Entwicklungs-Problematik der 150jährigen Institution kaum Wünsche offen lässt, zudem unterstützt und ergänzt durch eine sorgfältig recherchierte historische Darstellung des Werdegangs dieser Hochschule. Der Rezensent, der dieser Institution als Schüler und Student seine musikalische Ausbildung verdankt und somit ebenfalls zu den Zeitzeugen gehören könnte, kann hier nur beipflichtend zustimmen: probatum est!

Es ist hier nicht der Ort, den Inhalt des Buches aufzählend wiederzugeben; doch soll der geneigte Leser darauf aufmerksam gemacht werden, dass er beim wiederholten, immer mehr Details aufdeckenden Lesen sich nicht nur auf Entdeckertour in die Welt der Tonkunst und der musikalischen Bildung begibt, sondern eine regelrechte Zeitreise unternimmt, die ihn in die Welt der «klassischen» Musik von der Vergangenheit bis zur Postmoderne führt und ihn mit zahlreichen, in wissenschaftlicher und künstlerischer Hinsicht bedeutendsten Persönlichkeiten bekannt macht.

Der Weg von der einfachen, der Basler Tradition um Isaak Iselin entsprungenen, von der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige 1867 gegründeten, mit staatlichen Mitteln unterstützten «Allgemeinen Musikschule» zur heutigen Hochschule mit internationaler Ausstrahlung, der Musik-Akademie, ist lang; das Buch erzählt von den vielen Stolpersteinen, oft finanzieller Natur, die dank privatem, grosszügigstem Einsatz aus dem Weg zu räumen waren, und der Schwierigkeit, Wissenschaft, Kunst und staatlich finanzierte Bildungspolitik auf einen Nenner zu bringen. Umso höher ist – angesichts der heutigen politischen Diskussionen um die Universität Basel und die Fachhochschule Nordwestschweiz, der die Musik-Akademie zugehört – der Mut zu einer sachlich begründeten, unpolemisch, aber im Klartext formulierten Kritik an den jetzigen Regulatorien (Bologna, Fachhochschul-Gesetze) zu schätzen, welche die akademische Freiheit in Lehre und Forschung, speziell aber auch die künstlerische Freiheit bedrängen.

Alles in allem: eine unkonventionelle Festschrift mit persönlichem Flair, die aktuell gehaltene, spannende Lektüre verheisst.

Martina Wohlthat (Hg.):
Tonkunst macht Schule
150 Jahre Musik-Akademie Basel
1867-2017
Basel, Schwabe, 2017
ISBN 978-3-7965-3659-5
(auch als eBook erhältlich)