Ein Wasserzeichen der Scuoler Papiermühle

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von Urs Schocher

sph-Kontakte Nr. 93 | Juli 2011

Der vorliegende Beitrag steht im Zusammenhang mit der Untersuchung des Papiers der beiden Scuoler Bibeln (1679 und 1743). Herr Dr. med. Peter Möhr-Buxtorf (Wädenswil) hatte sich im Juli 2008 im Hinblick auf das Wasserzeichen eines entsprechenden Vorsatzblattes an den Verfasser gewandt. In den folgenden Monaten waren die Wasserzeichen oder Gegenzeichen der beiden Bibel-Ausgaben von Herrn Möhr selbst graphisch (im Wesentlichen) richtig erfasst worden. Vorerst offen blieb dagegen die Frage der Herkunft des entsprechenden Papiers.

In der Literatur war lange Zeit von einer Herstellung desselben in der Scuoler Papiermühle ausgegangen worden. Dies gilt insbesondere für die erste Scuoler Bibel (1679). Entsprechend geäussert hatte sich (u.a.) der vormalige Kantonsbibliothekar Friedrich Pieth in seiner Bündnergeschichte (1945). Auf lokaler Ebene erfolgte dieselbe Zuordnung u.a. durch Men Gudench in dessen Scuoler Gemeindegeschichte (1982). Auch Herr Möhr selbst vertrat diese Ansicht.

Ein Wasserzeichen der Scuoler Papiermühle war bis dahin jedoch nicht bekannt. Zur Gewinnung von Klärungsmöglichkeiten hat der Verfasser des vorliegenden Beitrags die Wasserzeichen der übrigen Scuoler Drucke im Winter 2008/2009 und im Sommer 2009 weitgehend erfasst. Dabei wurde von ihm der  unten abgebildete Wasserzeichentyp der Scuoler Papiermühle aufgefunden. Dieser entsprach den Wasserzeichen der beiden Scuoler Bibeln indessen nicht.

Mit dem Vorliegen des ermittelten Wasserzeichens verlor die Annahme einer Herkunft des Papiers der beiden Bibeln aus der dortigen (Scuoler) Papiermühle an Wahrscheinlichkeit. Dies galt aufgrund der zeitlichen Nähe insbesondere für das Papier der ersten Bibel (1679).

Die Herkunft desselben aus der Scuoler Papiermühle war in der Literatur schon vorher verschiedentlich in Frage gestellt oder bestritten worden. Konkrete Herkunftsangaben sind dabei jedoch unterblieben. Die Initialen («HK») im Wasserzeichen dieses Bibelpapiers sind für die romanischen Sprachgebiete eher unüblich. Der Verfasser begann deshalb mit der Suche des Herstellungsortes im deutschsprachigen Raum (insbesondere am Nordrand der Alpen). Eine Übereinstimmung der Initialen (HK) fand sich in der fraglichen Zeit bei dem in Au bei Kempten tätigen Papiermacher Hans Koneberg. Der entsprechende Ort Au liegt auf dem Gebiet des ehemaligen Fürststifts Kempten. Der Archivbestand dieser früheren Fürstabtei wird heute im Staatsarchiv in Augsburg aufbewahrt. Der Verfasser wandte sich deshalb nach einer längeren Vorbereitungszeit an die betreffende Stelle (Brief des Verfassers vom 19. März 2009). Etwa gleichzeitig war die übereinstimmende Identifizierung des Papierherstellers unabhängig davon durch Peter F. Tschudin (Basel) erfolgt. Im Gegensatz zum Verfasser hatte Herr Tschudin dabei auch das Wasserzeichen-Motiv der Heiligen Hildegard richtig erkannt.

Das aufgefundene Scuoler Wasserzeichen ist in einer kleinen Druckschrift enthalten. Der entsprechende Text wurde im Jahr 1676 auf der evangelisch-rätischen Synode in Samedan (Oberengadin) vorgetragen. Als Verfasser oder Sprecher erscheint am Schluss ein Johann Justus Andeer (ca. 1642–1710) (Dixit. Ioh: Justus Anderus). Er war selbst Mitglied der Synode. Der vollständige Titel der Druckschrift lautet Oratio Panegyrica de Clavium Potestate, sive Jurisdictione Ecclesiastica. In Veneranda Synodo Rhaetica Anno MDCLXXVI. die 29. Maij Samadeni habita (KBG Bb 1/47).

Die Druckschrift umfasst drei Doppelblätter. Sie sind gemeinsam zu einer Lage gefaltet. Das Wasserzeichen befindet sich im mittleren Doppelblatt. Diesem entsprechen das zweite und das fünfte der sechs Einzelblätter. Das zweite Einzelblatt trägt die Blattbezeichnung (Lagensignatur) A 2. Das fünfte Blatt dagegen ist unbezeichnet. Die obere Hälfte des Wasserzeichens liegt im zweiten Blatt (A 2). Die ergänzende untere Wasserzeichen-Hälfte ist Teil des fünften unbezeichneten Blattes.

Der Schriftzug «SCUOL» verläuft vom Kopf der Druckschrift gegen den Fuss hin. In normaler Leserichtung erscheint das Wasserzeichen im ausgefalteten mittleren Doppelblatt von der Unterseite her. Damit tritt das Wasserzeichen bei seiner erstmaligen Sichtbarkeit (Vorderseite von Blatt A 2) in Leserichtung auf.

Die maximale Breiten-Ausdehnung des Wasserzeichens beträgt ca. 7,6 bis 7,7 cm. Die maximale Höhen-Ausdehnung ergibt an den seitlichen Enden einen Wert von 4,1 cm. Die sonstige Höhe des Wasserzeichens (zwischen den oberen und unteren Aussenlinien des Rahmens) beläuft sich auf ca. 3,9 bis 4,0 cm. Die Dicke (Breite) des Rahmens beträgt im Allgemeinen ca. 0,8 cm.

Der Schriftzug «SCUOL» erstreckt sich über eine Länge von 5,3 cm. In der Höhe misst der Schriftzug gut 1,0 bis gut 1,2 cm.

In ungeteilter Ansicht sind entsprechende Wasser­zeichen in einzelnen handschriftlichen Quellen sichtbar (vgl. Abbildung). Die Bekanntgabe von Standort und Identität des betreffenden Schriftstücks ist in einer gesonderten späteren Arbeit des Verfassers vorgesehen.

Eine ausführlichere, kommentierte Darstellung des Artikels ist einsehbar unter

www.papierhistoriker.ch/zeitschrift/

Dort findet sich auch die Abbildung des beschriebenen, geteilten Wasserzeichens aus der genannten Druckschrift.