Wurde der Holzstoff bereits im mittelalterlichen Ostasien erfunden?
von Peter F. Tschudin, Riehen
sph-Kontakte Nr. 89 | Juli 2009
Für einiges Aufsehen hat im Dezember 2008 eine On-line-Publikation der renommierten Zeitschrift «Archaeometry» gesorgt, in der Hyejung Yum und seine Co-Autoren den Nachweis zu erbringen suchen, dass in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen koreanischen Papieren Nadelholzfasern vorhanden seien, also der Holzstoff in Korea bereits im 15. Jahrhundert bekannt gewesen und zum Strecken der frischen Bastfasern des Papiermaulbeerbaums verwendet worden sei.
Die detailliert geschilderte, äusserst sorgfältig durchgeführte Untersuchung von 169 Faserproben aus Büchern der koreanischen und 68 aus Büchern der japanischen Abteilung der British Library sowie von 15 Proben aus koreanischen Papieren einer Privatsammlung lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass in Papieren, die zwischen 1498 und 1798 datiert werden können, tatsächlich Fragmente von Nadelholzfasern vorhanden sind. Dies ist an sich nicht neu, finden sich doch hin und wieder in chinesischen, koreanischen und japanischen Papieren solche Fasern, die eindeutig als Absplitterung oder Abrieb von Geräten aus Nadelholz, wie sie in der Papierherstellung verwendet wurden, anzusehen sind. Diesen Einwand gegen seine These einer regulären Beimischung sucht der Autor durch statistische Über-legungen zu entkräften; auch verweist er auf die in koreanischen Quellen seit dem 15. Jh. genannte Bei-mischung u.a. auch von Fichtennadeln und Fichten-rinde zum hauptsächlich aus Maul-beer-baum-bast be-stehenden Papierstoff.
Besondere Aufmerksamkeit des Fachmanns erregt die Abbildung 6, die Ligninreste nachweisen soll. Im, dem Berichterstatter vorliegenden, Computer-Ausdruck erscheint dies nicht deutlich, und dies führt zur methodischen Frage, weshalb die für die Mikroskopie präparierten Fasern nicht einem gängigen Anfärbetest unterzogen worden sind, der auch den Einwand des Geräteabriebs hätte entkräften können. Denn die im Text geschilderte Art der Faserpräparierung mit Seziernadeln lässt keine Rückschlüsse auf die historische Art der Einwirkung auf die Faser während eines Aufbereitungsvorgangs zu. Da der Präparation von Einzelfasern zum Zweck ihrer Identifikation Priorität gegeben wurde, unterblieb leider auch eine Präparation, die das gesamte Fasergefüge einer jeden Probe sichtbar gemacht hätte.
In seiner Dissertation erbringt Yum offenbar den chronikalischen Nachweis, dass im 15. Jh. mehrfach koreanische Papiermacher sich um die Übernahme chinesischer Techniken bemühten, die angesichts des Mangels an Maulbeerbaumbast auch verschiedene Ersatzstoffe umfassten. Man wird dabei an Aufbereitungsmethoden denken müssen, wie sie z.B. das Tiangong Kaiwu für Bambusfasern ausführlich schildert. In der von Tsien zusammengestellten Übersicht über die in China in der Papiermacherei verwendeten Fasern werden wohl neben den wichtigsten Materialien wie Hanf und den Maulbeerbaum-Arten auch Jute, Leinen, Ramie, Stroh, Meeresalgen, Rattan, Bambus, Sandelholz, Hibiskus genannt, jedoch keine Nadelhölzer. Möglicherweise hat Tsien nicht alle diesbezüglichen Quellen ausgewertet.
Anzumerken ist, dass in Papieren aus Xinjiang und Zentralasien häufig Holzfasern zu finden sind, die von der ungenügenden Trennung von Bast- und Rinden- bzw. Astteilen bei der Aufbereitung herrühren. Von einer regulären Beimischung kann aber keine Rede sein.
Technikhistorisch wäre eine Ausdehnung von Yums Studie auf Vergleichspapiere chinesischer Provenienz mit ähnlicher Zeitstellung, vor allem aus den Provinzen Mittel- und Nordchinas, in denen die Fichte relativ häufig vorkommt, höchst erwünscht. Erst durch einen entsprechenden positiven Nachweis könnte der systematische Einsatz von Holzfasern in der Papiermacherei als fernöstliche Errungenschaft festgeschrieben werden.