Wie das Papier in die Schweiz kam
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von Martin Kluge
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sph-Kontakte Nr. 83 | Juli 2006
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Guillemus Juliana, de Andely sus Sena, factor quartarum, (Wilhelm Juliana aus Andelys an der Seine, Papiermacher) Eintrag im Fribourger Bürgerbuch von 1394
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Auf der Suche nach den Wurzeln der Schweizer Papierherstellung war der Schreibende im Auftrag der European Paper Days in Fabriano (am 16./17. Juni 2006). Die «Diaspora» von Fabrianeser Papiermachern wurde hier zum Thema einer internationalen Tagung gemacht und natürlich hoffte man, dass auch die Schweiz das Papiermacherhandwerk von Lehrmeistern aus Fabriano erhalten hat oder zumindest, dass sich Spuren von emigrierten Papiermachern auch in der Schweiz finden lassen. Gezeigt hat sich dabei, dass die Frage, wie die Papiermacherei eigentlich zu uns gelangt ist, durchaus eine genauere Betrachtung verdient. Ohne Zweifel ist «das europäische Papier» von Fabriano aus auf direktem oder indirektem Weg in die Schweiz gekommen. Unklar ist aber, wie sich die Kenntnisse der Papierfabrikation über den Alpenraum verbreitet haben und wann sich die Weitergabe des Handwerks von ihrem direkten Einfluss aus Fabriano gelöst hat. Fahnden wir also nach den frühesten Belegen für die Existenz von Papiermachern in der Schweiz.
Wie in der Forschung immer wieder erwähnt wird, weisen die frühesten Spuren nach Fribourg im Uechtland, wo im Bürgerbuch der Stadt seit 1394 die ersten Papiermacher eingetragen sein sollen. Dieser frühe Beleg dürfte die Zeit markieren, in der die Kenntnis der Papiermacherei die Schweiz erreicht hat. Denn der früheste Beleg für eine Papiermühle im heutigen Gebiet der Schweiz stammt erst von 1432 , doch kann dieser nicht identisch sein mit dem Gründungsdatum besagter Mühle, wie später noch gezeigt werden wird. Wer waren nun diese frühen Papiermacher, die sich in Fribourg niederliessen? Woher kamen sie und woher brachten sie ihr Wissen mit?
Im ersten Bürgerbuch der Stadt, das für die Jahre 1341–1416 alle neu eingebürgerten Personen, ihre Vor- und Nachnamen, ihren Beruf und zum Teil ihre Herkunft angibt, werden insgesamt 21 Personen genannt, die bisher in der Forschung als Papiermacher identifiziert wurden. Tabelle 1 führt die genannten Papiermacher im originalen Wortlaut der Quelle auf.
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Tabelle 1
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Überraschend bei dieser Liste ist die Dominanz französischer Namen. Von den 21 aufgeführten Namen sind 11 ohne Ortsangaben. Die Ortsbezeichnungen «Marly», «Monbrenlo», «Vignyes» und «de Porrentruy» weisen auf Orte der nahen französisch sprechenden Schweiz. Lediglich Jacauz de Besenczone (aus Besançon) stammt aus einer bekannten Papiermacherstadt, in der seit 1396 Papier hergestellt wird. Er könnte das Wissen mitgebracht haben. Wenn es sich bei den übrigen Namen tatsächlich um Papiermacher handelt, so muss das Wissen der Papierherstellung mindestens eine Generation früher importiert worden sein. Aber für diesen Zeitraum, die Jahre von 1341–1394, fehlen jegliche Einbürgerungen von Papiermachern und jede Hinweise auf Verbindungen zu anderen Papiermacherzentren. Überhaupt lassen sich im ganzen Bürgerbuch nur wenige Italiener nachweisen. Vielmehr zog die Stadt mit ihrem florierenden Textil und Leder verarbeitenden Gewerbe vor allem Fachkräfte aus Frankreich und Deutschland an. Auch wenn durch das Textilgewerbe mit einer grösseren Anzahl von Walkmühlen zu rechnen ist, so überrascht, dass sich die Papiermacher nicht nahe der vor den Stadttoren liegenden Mühlen im Vallée du Gotteron und damit im Au-Quartier ansiedelten, sondern vorwiegend im Quartier der Gerber und Weber.
Diese aufkommenden Zweifel an der so frühen Existenz von Papiermachern lässt uns die Quelle erneut hervor nehmen und prüfen. In der Tat ist die Berufsbezeichnung «quarterres, cartarre, quartafex, quartator oder factor quarta» nicht zwangsläufig als Papiermacher zu deuten, denn das lateinische Wort «charta» bedeutet zunächst nur Schreibstoff und wird im Mittellatein vor allem auch für Pergament verwendet. Für die Interpretation der 21 Handwerker als Pergamenter und nicht als Papiermacher spricht neben der fehlenden Wasserkraft auch das Fehlen jeglicher Papiere in den Stadtarchiven, was bei einer so beträchtlichen Zahl von Papiermachern unausweichlich der Fall sein müsste. Als hingegen bedeutende Fernhändlerfamilien im frühen 15. Jh. anfingen, im Umland Fribourgs erste Papiermühlen zu errichten, findet sich auch wenig später das Papier in den Archiven Fribourgs. Auch die Niederlassungen im Gerberquartier, wo ein breites Gewerbe Felle und Leder verarbeitet (Sattler, Kürschner, Gerber, usw.) weist auf die Herstellung von Pergament und weniger auf Papier.
Wenn sich also in der Stadt Fribourg vor dem 15. Jahrhundert keine Papiermacher, sondern nur Pergamenter ausfindig machen lassen, muss sich die Spurensuche nun auf die ältesten Belege von Schweizer Papiermühlen richten, die sich im Umland Fribourgs befanden. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wo für die Eröffnung der ersten Papiermühle die nötigen Kenntnisse erworben wurden. Als ältester Beleg für eine Papiermühle gilt eine Urkunde aus dem Jahr 1432 für die Mühle in Belfaux aus dem Kanton Fribourg. Humbert de Combes (Combes ist ein kleiner Ort nahe Fribourgs) und Jaquet de Billie pachten bei Mermet Chastel die Mühle von Belfaux. Dieser früheste nachweisbare Pachtvertrag muss nicht zwangsläufig auf die Gründung der Mühle hinweisen, zumal wir keine Spuren von Papiermachern finden, die das Wissen um die Papierherstellung mitgebracht haben könnten. Aus einem weiteren Vertrag von 1442 wissen wir, dass das Papiermachen in einer dreijährigen Lehre an den neuen Pächter weitergegeben wurde. Die hausinterne Weitergabe des Handwerks war also in dieser Zeit bereits feste Praxis. Nachweisbar aus einer traditionellen Papiermacherregion, dem Piemont, ist nun der dritte Pächter der Mühle in Belfaux. Es ist Ulrich Nicolau, der 1445 die Mühle übernahm. Er hat das Handwerk sicherlich im Piemont erlernt. Woher aber haben es seine Vorgänger? Die Kontaktnahme zu Papiermacherzentren muss – so weit ist sicher – einige Jahre oder Jahrzehnte früher stattgefunden haben, also wohl in den ersten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. Für Belfaux bleiben die ersten Kontakte mit älteren Papiermacherzentren jedenfalls verborgen – das gleiche gilt auch für die weiteren Mühlen im Freiburger Raum Marly (seit 1478) und Glâne (ab 1487). Leider geben die Archive der Pfarreien dieser Orte keine weiteren Aufschlüsse zu den Papiermühlen, denn die dortigen Aufzeichnungen haben erst ab dem 17. Jahrhundert überlebt.
Aufschlussreich für unsere Fahndung ist nun die Tatsache, dass die Papiermühlen im Fribourger Umland von Handelsgesellschaften gegründet wurden, die ein Europa umspannendes Fernhandelsnetz betrieben und zuvor den Papierhandel organisierten. Nun führten wirtschaftliche Überlegungen dazu, selber Papiermühlen zu betreiben, um die hohen Transportkosten zu umgehen. Den Pächtern ihrer Papiermühlen garantierten sie die Abnahme der gesamten Produktion zu einem Fixpreis. In Fribourg waren es vor allem die Kaufmannsfamilien de Proroman, Chastel, Ferwer und Arsent, die als erste Besitzer von Papiermühlen auftraten. Die Kontaktnahme mit älteren Papiermacherzentren und der Import des Know-hows muss folglich in enger Beziehung zu diesem Handelsnetz der Fernhandelsgesellschaften stehen.
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Das Seckelmeisterbuch der Stadt Fribourg
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Einblick in diese Handelstätigkeit erlaubt das Seckelmeisterbuch der Stadt Fribourg aus den Jahren 1402–1465, in dem die städtischen Ausgaben verzeichnet sind. Hier erhalten wir einen präzisen Einblick in den Papierimport jener Jahre. Die städtischen Rechnungen enthalten Angaben zur Herkunft der Papiere, zu den Händlern und den Papierpreisen. Die Akten wurden für jedes Semester in einem neuen Band angelegt und enthalten meist nur eine Papiersorte pro Band, die zudem oft mit der im vorangehenden Semester abgerechneten Papiersorte identisch ist. Anhand dieser einmaligen Quellenlage lassen sich hier die Papierimporte und schliesslich das Aufkommen einer eigenen Papierproduktion bis ins Detail studieren. Das interessante und vielleicht überraschende Resultat dieser Untersuchung ist, dass die Spuren allesamt nicht nach Italien, sondern nach Frankreich weisen. Für den gesamten Zeitraum von 1402–1465 sind im Seckelmeisterbuch 25 Lieferanten für Papier verzeichnet, und höchstens einer von ihnen ist Italiener. Der italienisch klingende Papierhändler «Castro», der zwischen 1424 und 1435 in den Rechnungen erscheint, heisst eigentlich Jean de Villy und stammt aus dem Val de Ruz nahe Neuchâtel (CH). Aber Jacob Lombard, der erstmals 1452 als Sohn von Yannin de la Frunetta in Erscheinung tritt, könnte Italiener sein und direkt aus einem lombardischen Papiermacherort kommen.
Ein Vergleich der im Seckelmeisterbuch aufgeführten Papierlieferanten mit den im Bürgerbuch verzeichneten 21 «cartafeces» zeigt keinerlei Übereinstimmungen, obwohl sich beide Quellen auf die gleiche Stadt beziehen. Nochmals also ein Argument dafür, dass es sich bei den im Bürgerbuch aufgeführten und bisher als Papiermacher identifizierten Namen in Wirklichkeit um Pergamenter handelt.
Papieruntersuchungen am Seckelmeisterbuch können nun Auskunft über die Herkunft der Papiere geben und damit auch über den Wissenstransfer, da anzunehmen ist, dass die Kenntnis der Papiermacherei über ähnliche Wege in die Schweiz gekommen sein muss wie zuvor das importierte Papier. Theo Gerardy wertete das Papier in einer exzellenten Arbeit aus. Er kam zum Ergebnis, dass das Papier über die traditionellen Handelswege zu seinem grössten Teil aus Frankreich importiert wurden, bevor eigene Papiermühlen den heimischen Markt beliefern konnten. Lediglich 11 der 84 Lieferungen schreibt Gerardy aufgrund der Wasserzeichen möglicherweise einer Papiermühle aus dem Piemont zu. Die französische Dominanz ist umso erstaunlicher, als das Papierhandwerk der französischen Nachbarregion nur wenige Generationen vor der Schweiz eingeführt wurde (Montpellier 1310/1316?, Ambert 1326, Troyes 1348, Avignon seit 1375, Besançon 1396). Einige Jahrzehnte nach ihrer Gründung, bereits um 1400, konnten die französischen Papiermühlen ihre Papiere in den Schweizer Raum exportieren und dabei den italienischen Konkurrenten den Markt abschlägig machen. Ältere Papiereinkäufe in Fribourg kommen also erwartungsgemäss aus Italien, wie das Papier der anderen Fribourger Quelle, dem Bürgerbuch, das etwa zwischen 1325 und 1370 hergestellt worden und aus Fabriano sein dürfte.
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Die Anfänge der Papierherstellung in Basel
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Ein ähnliches, aber viel präziseres Bild erhalten wir bei einem Blick auf die Situation in Basel. Auch hier wurde durch Fernhändler die Kenntnis zur Papierherstellung importiert. In der Stadt am Rheinknie wurde mindestes seit 1313 Papier in den Kanzleien verwendet, regelmässige Papierbezüge der Stadt treten aber erst um 1371 auf. War anfangs das gelieferte Papier mangels Alternative 100% aus italienischen Papiermühlen, setzte um 1410 der Handel mit Papier aus Besançon, der Champagne und Burgund ein, der sich in den Jahren 1440–1460 deutlich steigerte und den Import von italienischem Papier auf 34% und bescheidene 15% in der zweiten Jahrhunderthälfte zu Gunsten französischen Papieren abfallen lässt.
Für eine kurze Zeit, in den Jahren von 1431–1449 wurde Basel zum Mittelpunkt Europas, als das Konzil der Katholischen Kirche hier tagte. In den Konzilsjahren muss der Papierverbrauch durch die Anwesenheiten der zahlreichen Gesandten, Höfe und Kanzleien enorm gestiegen sein. Damals lag in Basel das Beschaffen von Papier fest in den Händen grosser Fernhandelsgesellschaften. Angesichts der hohen Importpreise und der gestiegenen Nachfrage lag eine eigene Papierproduktion in der Stadt oder ihrer unmittelbaren Umgebung auf der Hand. Im Fall Basels war es Heinrich Halbysen, der mit Hilfe seiner internationalen Kontakte die Papiermacherei einführte. Halbysen entstammte einem geachteten Basler Geschlecht. 1426 versteuerte er 8000–8500 Gulden und war einer der reichsten Kaufleute der Stadt. Bald darauf trat er auch in diplomatische Dienste. 1432 reiste er als Basler Gesandter zur Kaiserkrönung König Sigismunds nach Rom. Als er im folgenden Jahr auf dem Rückweg durch das Piemont kam und die dortigen Papiermühlen kennen lernte, scheint ihm die Idee einer eigenen Papiermühle in Basel gekommen zu sein, denn im gleichen Jahr kaufte er sich die Mühle „Allenwinden“ vor den Toren Basels und baute sie zur ersten Papiermühle der Stadt um. Seine guten Beziehungen zu italienischen Kaufleuten und Geldwechslern nutze Halbysen, um für den Betrieb der Papiermühle kompetente Papiermacher aus dem Piemont anwerben zu können. Einer der wichtigsten Papiermacher, die aus Italien nun nach Basel kamen, war Antonio Galliciani (er passt seinen Namen der deutschen Sprachen an und nennt sich in Basel Anton Gallician), der mit seinen beiden Brüdern Michel und Hans aus Casella (heute Caselle di Stura) nordwestlich von Turin nach Basel zog und in der Papiermühle für Halbysen arbeitete. 1453 kaufte Antonio Galliciani eine eigene Papiermühle im St. Alban-Tal, innerhalb der Stadtmauern Basels.
Neben den Brüdern Galliciani liessen sich eine Reihe weiterer Papiermacher in Basel nieder, die allesamt aus dem Piemont (und oftmals aus Caselle di Stura) stammten. Ohne Zweifel haben sie die Fertigkeit der Papiermacherei nach Basel gebracht. Zum einen tritt ein gewisser Andres als Pächter der Allenwindenmühle von Heinrich Halbysen auf. Weiter finden wir in Basel Anton Pastor. Seine Familie stammt ebenfalls aus Caselle di Stura und ist in Basel und Bern eine verbreitete Papiermacherfamilie. Anton Pastor wurde 1455 in die Safranzunft aufgenommen, doch muss er bereits einige Zeit zuvor nach Basel gekommen sein. Ein Bartholome de Conmola aus Caselle di Stura war Mühlenmeister und Pächter bei Halbysen. Und ein Roland von Caselle di Stura ist ab 1489 als Papiermacher belegt.
Für Basel lässt sich folglich deutlich belegen, wie durch Heinrich Halbysen und Antonio Galliciani, selber ein Piemonteser mit mehreren Papiermühlen in Basel, Papiermacher direkt aus Caselle di Stura im Piemont geholt wurden, um das neue Handwerk in Basel einzuführen.
Das gleiche gilt auch für Bern, wo Jehan Pastor die zwei ersten Berner Papiermühlen 1460 gründete. Jehan Pastor war aus der gleichen Familie wie der bei Heinrich Halbysen in Basel arbeitende Anton Pastor aus Caselle di Stura.
Als erstes Zwischenergebnis kann also festgehalten werden, dass für den Fribourger Raum, wo die frühesten Belege für die Existenz von Papiermühlen auf dem Gebiet der heutigen Schweiz zu vermuten sind, genaue Belege für die Aneignung der Papiermacherkunst fehlen, aber aufgrund der Handelsbeziehungen und der engen Verbindung der ersten Papiermühlen mit grossen Fernhandelshäusern der Einfluss aus Frankreich und dem Piemont gekommen sein muss. Das gleiche gilt auch für das grösste Papiermacherzentrum der Schweiz, für Basel.
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Fabrianeser Papiermacherfamilien in der Schweiz?
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Um das gewonnene Bild zu erhärten, soll nun in einem weiteren Schritt versucht werden, Papiermacherfamilien aus Fabriano in der spätmittelalterlichen Schweiz nachzuweisen. Dazu muss zuerst einmal eine Liste von Fabrianeser Papiermachernamen erstellt werden, die mit den Archivbeständen derjenigen Schweizer Städte verglichen werden kann, die in Frage kommen. Als wissenschaftliches Instrument stösst eine derartige Liste für das 14. Jahrhundert an ihre Grenzen angesichts der Tatsache, dass Vor- und Geschlechtsnamen noch nicht allgemein üblich waren. Zwar setzte sich zunehmend der Gebrauch von Familiennamen durch – wie z.B. die Familie der Pastor aus Caselle di Stura – doch werden ebenso gut nur Vornamen genannt oder Personen nach ihrer Herkunft bezeichnet. Auch die Bezeichnung nach dem Besitz von Stadthäusern war üblich und kann sich demzufolge ändern. Bereits Charles-Moïse Briquet legte aufgrund von 20 Wasserzeichen eine Liste mit 18 Namen von Fabrianeser Papiermachern aus dem 13. und 14. Jahrhundert vor. Es handelt sich allerdings nur um Vornamen. Nachnamen fehlen oder sind durch die Initiale abgekürzt. Briquets Liste enthält dreimal nur Vornamen sowie je dreimal die Initiale A., C und Z. Je einmal wird der Familienname mit D, M, P, R und V abgekürzt. Prof. A. Zonghi konnte weitere 36 Namen aus Urkunden und Grabsteinen ergänzen und folgende vollständige Namen rekonstruieren: Zutius Compagnoni, Franciscus Villani, Andreutius Andree, Franconus Crisci, Michael Cresci, Bene Andresti, Petrus Andreut, Michael Petri, Bartulus Petri, Condens Mantie und Massio Puzoli. Die Initialen dieser Namen sind bis auf R und D mit der von Briquet aufgestellten Liste identisch. Für die Recherche in Schweizer Archiven ergibt sich daraus die Liste folgender Papiermachernamen: Andree, Andresti, Compagnoni, Crisci, Mantie, Petri, Puzoli und Villani.
Mit dieser Liste ausgerüstet galt es nun in Schweizer Archiven nach Nachweisen zu fahnden. In Frage kommen nur solche Städte, die eine eigene Papierproduktion vor der Mitte des 15. Jahrhunderts betrieben, also Basel, Fribourg und Genf. Für Fribourg, dem frühesten Schweizer Papierzentrum, blieb die Suche ergebnislos. Im bereits eingehend beschriebenen Bürgerbuch sind keine Einbürgerungen besagter Namen aus Fabriano eingetragen. Auch in Streitigkeiten mit der Stadt, den so genannten Stadtsachen, kommen die Namen nicht vor. Eine Suche in Neuchâtel blieb ebenfalls erfolglos. Als weiteres Zentrum steht Genf auf der Liste, in dessen Umland bereits um das erste Viertel des 15. Jahrhunderts Papiermühlen entstanden (Allemogne 1426). Dieses Umland war im Mittelalter in fester Abhängigkeit zur Stadt, liegt aber ausserhalb der heutigen Schweiz. Bei der Suche im Genfer Staatsarchiv kamen zwar ähnliche Namen für das 15. Jahrhundert zum Vorschein, wie André (statt Andree), Compagnyoni bzw. Compagnon (statt Compagnionis), Pierre (statt Petri) und Vilain (statt Villani), doch haben diese Personen weder eine Beziehung zur Papiermacherei noch Wurzeln in Fabriano. Dr. Peter Tschudins Versuche, in den französischen Archiven Hinweise zu den frühen Papiermühlen im Genfer Umland zu ausfindig zu machen, bleiben ergebnislos.
Die letzte Stadt, in der mit Fabrianeser Papiermachern gerechnet werden kann, ist Basel. Eine Suche im Staatsarchiv blieb auch hier ergebnislos. Der Pächter der Allenwindenmühle names «Andres» kann mit der Familie «Andree» in Fabriano nichts zu tun gehabt haben, da er wie gesagt aus Caselle di Stura kam. Die berühmte Buchdruckerfamilie Petri hat sicherlich keine Verbindungen zur Fabrianeser Familie, denn der Drucker Johannes Petri ist aus Langendorf in Franken (D) eingewandert. Alle weiteren Städte kommen für eine Recherche nicht in Betracht, da dort die Papierherstellung bedeutend später anfing und in der Schweiz bereits genügend gelernte Papiermacher vorhanden waren, um das Handwerk weiterzugeben.
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Fazit
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Papier wurde, wie wir gesehen haben, seit dem frühen 14. Jahrhundert von Schweizer Obrigkeiten verwendet. Wie sich aus den Wasserzeichen ablesen lässt, sind diese frühesten Papiere oft aus Fabriano. Mit dem 15. Jh. werden die Papiermacherzentren im Piemont und in Frankreich für den Import von Papier zunehmend wichtig. Und um 1410 setzte auf dem Schweizer Markt eine massive Zunahmen französischen Papiers ein, welche die italienischen Papiere zunehmend verdrängte. Als die Schweiz um 1430 begann, ihren Markt mit Papier aus eigener Produktion zu decken, bezogen sie das notwendige Wissen, um Papier schöpfen zu können, über die gleichen Kanäle wie zuvor das Papier. Für die Westschweiz waren es daher französische Mühlen, in denen das Wissen angeeignet wurde. Leider kennen wir diese Kontaktnahme nicht genauer. In Basel hingegen wurde das Handwerk vor allem von Papiermachern aus dem Piemont gelernt.
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