Warum in Nowgorod Birkenrinde mehr sagt als Papier

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sph-Kontakte Nr. 87 | Juli 2008

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Dokument auf Birkenrinde aus Nowgorod, datiert 1240-1260

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In Nowgorod holen seit 1951 Archäologen spektakulärste Fundstücke aus dem Boden. Dank eines moorig-wässrigen Erdreich mit Lehm­untergrund sind die Konservierungs­bedingngen so gut wie selten. Die Nässe hat hölzerne Architektur­reste, aber auch viele andere Materialien vor den sonst im Boden üblichen Fäulnisprozessen bewahrt. So auch Mitteilungen auf Birkenrinde, die man sich im mittelalterlichen Nowgorod schrieb. Sie bilden heute eine einzigartige Quelle zum Alltag und Geschäftsleben jener Zeit. Und dabei handelt es sich nicht etwa um ein paar wenige Einzelfunde. Rund 1‘000 Birkenrindendokumente wurden bereits geborgen. Extrapoliert man auf die noch nicht ausgegrabene Bodenfläche, so kann mit weiteren 20‘000 Schriftstücken gerechnet werden. Die ältesten Birkenrindendokumente stammen aus dem 11. Jhd., die jüngsten aus dem 15. Jhd. Alle Funde werden im Archäologie­zentrum von Nowgorod gereinigt, konserviert und bearbeitet. Ursprünglich waren sie aufgerollt und wurden auch so verschickt. Zum Lesen mussten sie dann entrollt werden. Um die Streifen elastisch zu machen, kochte man sie in Lauge und befreite sie aussen von der groben Rinde und innen vom feinen Bast. Geschrieben wurde dann mit einem Stift aus Knochen oder Metall, den man in die weiche Innenseite drückte. Die Schrift besteht in der Regel nur aus Einritzungen, nur ganz selten wurde Tinte verwendet. Im 15. Jahrhundert wechselten die Nowgoroder zum Schreiben auf das billigere Papier und hörten auf, die robuste Birkenrinde zu benutzen. Das neue Material hielt den Zersetzungsprozessen im feuchten Untergrund aber nicht mehr stand, und die Kurzmitteilungen verschwanden für immer im Boden.

Die Auswertung der bis zu 40 Zentimeter langen und acht Zentimeter hohen Streifen brachte einen tiefen Einblick in den Alltag der Menschen. Weil immer Absender und Empfänger vermerkt sind und man nach der Lektüre die Rinde einfach vor Ort wegwarf, weiss man heute beispielsweise, wie der Besitzer eines bestimmten Hofes hiess, wie seine Frau oder die Kinder. Die Bewohner und Bewohnerinnen von Nowgorod treten dank der Birken­rindentexte aus der Anonymität heraus.

Das Mitgeteilte war meist kurz und lapidar. Es gibt Abrechnungen, Mahnungen, Liebes­briefe, Schuld­­briefe, An­weisungen an die Haus­frau oder die Kinder, Todes­­anzeigen, Scherze, magisch-heidnische Be­schwörungen und Ver­wünschungen, auch reli­giöse Texte. So lesen wir «Komm am Samstag ins Korn­feld zum Stelldichein.» Oder: «Was hast du gegen mich, dass du mich versetzt hast.» Eher als Hilferuf zu interpretieren ist der längere Text: «Gruss von Nastassja an meine Herren Brüder. Mein Boris lebt nicht mehr. Wie kümmert ihr euch nun um mich und meine Kinder?» Von Vergesslichkeit zeugt diese Botschaft: «Sobald diese Nachricht angekommen ist, schicke mir einen Mann auf einem Pferd, denn ich habe hier viel zu tun. Und schick mir ein Hemd, denn das habe ich vergessen.»

Geschrieben hat nicht nur eine schmale Oberschicht, sondern die breite Mittelschicht der Händler, Hand­werker und Bauern, samt Frauen und Kindern – es gibt sogar Schülerübungen auf Birkenrinde. Der Alphabetisierungsgrad muss also hoch gewesen sein. In der Regel ist die Sprache altrussisch und die Schrift kyrillisch, vereinzelte Texte sind niederdeutsch, lateinisch und griechisch geschrieben. Aufgrund der Mitteilungen auf Birkenrinde konnte auch festgestellt werden, dass die Nowgoroder einen speziellen altrussischen Dialekt gesprochen und geschrieben haben, von dessen Existenz man bis anhin nichts wusste.

Weiteres unter Wikipedia „Birken­rinden­urkunde“ und einem Artikel in der „NZZ am Sonntag“ vom 9.12.2007, auf dem dieser Text basiert. MK.

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