Über Schreiber und Schreibstuben – Zwei Neuerscheinungen, die sich auf unterschiedlichen Wegen der mittelalterlichen Schriftkultur nähern

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von Nana Badenberg

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sph-Kontakte Nr. 98 | Januar 2014

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Martin Steinmann: Handschriften im  Mittelalter. Eine Quellensammlung. Basel: Schwabe, 2013.
932 S., geb., 1 Abb., sFr. 98.–

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Stephanie Hauschild: Skriptorium. Die mittelalterliche Buchwerkstatt. Darmstadt: Philipp von Zabern, 2013.
144 S., geb., zahlr. Abb., sFr. 37.90

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Wie und wo entstanden all die illuminierten oder nur in mehr oder weniger eleganter, gestochen klarer Handschrift verfassten Werke, die aus den langen Jahrhunderten des sogenannten Mittelalters überliefert sind, Texte, die irgendwann zwischen der Spätantike und frühen Neuzeit verfasst und durch häufiges Abschreiben weitergegeben und bekannt wurden? Dem Skriptorium als mittelalterlicher Schreibwerkstätte spürt Stephanie Hauschild in einem handlichen, illustrierten Band nach und erzählt dabei von den konkreten Umständen und Werkzeugen wie Schreibpult, Rohrfedern, Tintenhörnern, den verwendeten Tinten und Farben, den Bedingungen des Ausleihens und Kopierens von Büchern, aber auch des Neuverfassens und des Notierens oder Vorschreibens etwa auf Wachstafeln. Berichtet wird zudem von den sich ändernden Arbeitsbedingungen und Publika, von dem Anteil an Frauen, die als Buchhändlerinnen in Paris oder als Buchmalerinnen, Schreiberinnen und Autorinnen (Christine de Pizan etwa) tätig waren.

Solange die Buchproduktion überwiegend in Klöstern stattfand, befand sich das Skriptorium idealerweise im Kreuzgang; ab dem 12. Jahrhundert und dann mit den Universitätsgründungen gab es auch in Städten zunehmend professionelle Schreibstuben und entsprechende Händler. Dort wurde nach abgelieferten Lagen bezahlt, und schnelle Schreiber vermochten ein Stundenbuch vielleicht in einer Woche zu erstellen (S. 79). Ein Magister aus der Diözese Cambrai wiederum verpflichtete sich 1458, den ganzen Bibelkommentar des Nikolaus von Lyra in höchstens 16 Monaten zu schreiben; er erhielt dafür 50 Gulden sowie Kost und Logis in Avignon (Steinmann, S. 750).

Dass Stephanie Hauschild mit der vielleicht etwas allzu rasch und locker parlierenden Einführung in die mittelalterliche Buchherstellung ihrem – wohl mehr aus ästhetisch interessierten Buchfreunden denn aus Lesern bestehenden – Zielpublikum helfen will, solche Handschriften insbesondere «in der Ausstellung besser zu verstehen» (S. 11), macht stutzig, deutet aber auf zweierlei hin. Zum einen ist in Ausstellungen, die ja mit Vorliebe die Preziosen der mittelalterlichen Buchkunst präsentieren (das Book of Kells ist auch bei Hauschild eine durchgängige Referenz), der grösste Teil der ausgestellten Schriften unsichtbar oder zumindest unlesbar. In den gläsernen Schauvitrinen ist immer nur eine Seite aufgeschlagen. Und aus wie vielen mittelalterlichen Bibliotheken sind bestenfalls ein oder zwei illuminierte Bände erhalten? Zum andern sind Ausstellungsbesucher als Zielpublikum ein Hinweis darauf, dass Hauschild als Kunsthistorikerin zu Werke geht und die Buchproduktion besonders von den überlieferten visuellen Quellen her aufrollt. Darstellungen von Skriptorien finden sich etwa in einer der Handschriften des Apokalypse-Kommentars, dem Tabara-Beatus (10. Jh.), oder im Wiener Dioskurides (512), welch letzterer auch wegen seiner Pflanzendarstellungen ein beachtenswertes naturwissenschaftliches Manuskript ist. Auch wenn Hauschild dankenswerterweise mittelalterliche Handschriften nicht als luxuriöse und marktförmige Kunstwerke betrachtet, ja die Aura des Originals gerade durch das Wissen um die handwerkliche Verfasstheit des Objekts einzudämmen versucht (die prominente Behandlung magischer Verwendungspraktiken oder der Aufbewahrung in schreinartigen irischen cumdachs konterkariert dies freilich): Ihr Zugriff auf die Bucherstellung ist in erster Linie ein bildhaft-ästhetischer. Vielleicht deshalb werden die nötigen Informationen oftmals – auch historisch – allzu sprunghaft und beiläufig dargeboten. Einzig am konkreten Bild und vor allem dort, wo es um die künstlerischen Aspekte der Buchproduktion – Buchmalerei, Farben, Vergoldungen, Vorzeichnungen etc. – geht, erlaubt die Darstellung miniaturhaften Einblick in die Produktionsbedingungen. Spärlicher ist dagegen das vermittelte Wissen um Schriftstile oder Tinten, selbst wenn man über die Rezeptur der Dornentinte erfährt, die keineswegs blutig ist, sondern ein in Wein eingekochter Rindensud des Weissdorns.

Zuweilen ist die Argumentation selbst etwas dornig oder holprig – etwa wenn das Nebeneinander der einzelnen Initialen in der Bertold-Bibel von 1255, die die verschiedenen Tätigkeiten der Buchproduktion zeigen, als Verweis darauf gelesen wird, «dass im mittelalterlichen Arbeitsbetrieb die einzelnen Handlungen zeitlich und räumlich nebeneinander abgelaufen sind» (S. 64). Das mag zwar jeweils für sich genommen richtig sein, folgt aber keinerlei Kausalität. Und zeigt eher, wie problematisch es ist, von Bildern oder Entwürfen auf die Wirklichkeit zu schliessen.

Ganz anders die schwergewichtige Quellensammlung von Martin Steinmann. Auf über 900 Seiten präsentiert der vom Handwerkszeug gut gerüstete Historiker und Philologe, der viele Jahre der Handschriftenabteilung der Basler Universitätsbibliothek vorstand, informative wie unterhaltsame Belege über das Schreiben und die Buchherstellung im Mittelalter. Neben Bildern und Illustrationen, erhaltenen Schreibutensilien oder Befunden zu den überlieferten Skripten und Büchern, sind es – das führt die Sammlung eindrücklich vor – vor allem die Handschriften selbst, die zuweilen Zeugnis ablegen von ihrer Erstellung. Zuweilen, da das Thema nur bedingt als literaturwürdig galt, sich mithin in den verschiedensten Textsorten und Quellen verstreut findet. Eindrücklich jedoch, wie viel und Spannendes dank des beharrlichen Sammelns zusammenkommt. Und das, wo ‹nur› Berichte der lateinischen Schrift (überwiegend aus dem deutschen, französischen, englischen, italienischen oder spanischen Sprachraum) berücksichtigt wurden, keine hebräischen und griechischen Originale und auch keine Runen etc. Ebenso wenig (oder nur in Auszügen) berücksichtigt wurden bekannte längere Traktate oder kommentierungsbedürftige Musterblätter, Rezepte, Besitzer- oder Schreibereinträge. Dennoch eine überreiche Beute in allen Fragen mittelalterlichen Schreibens.

Steinmann, der zu allen lateinischen und fremdsprachlichen Quellen eine Laien wie Liebhaber einnehmende Übersetzung mitliefert, betont in seiner Einleitung die Frage der Realitätshaltigkeit bzw. Theorielastigkeit der Quellen, die durchaus auch dem Wunschdenken entsprungen sein können. Und die manch eine Frage offen lassen, ja zuweilen selbst Fragen aufwerfen. Etwa das Rätsel, das ein Rubrikator des 15. Jahrhunderts in einem Manuskript hinterliess, das sich heute in der UB Basel befindet und in dem er mit seiner roten Farbe die damals bekannten Schreib­utensilien Tintenhorn, Dornentinte, Federkiel und Pergament auszeichnet: «Der Ochse hält die Dornen feil, Wovon die Gans raubt einen Teil, Doch was des Ochsen einstens war, Bringt sie dem Kalb und Schafe dar.» (S. 691)

Da die Texte der Quellensammlung chronologisch angeordnet sind, lassen sich Entwicklungen und Veränderungen bei kursorischer Lektüre leicht ausmachen. So empfiehlt Martial im 1. Jahrhundert für die Mitnahme auf Reisen mit gewissem Neuigkeitswert Büchlein «auf Pergament in einen kleinen Band gepackt» an Stelle der seinerzeit noch üblichen unhandlichen, grossen Schriftrollen (S. 17). Einige Jahrhunderte später wird dann im Vocabularius ­optimus, in der 1473/74 bei Zainer in Augsburg erschienenen Ausgabe, ein neuer Beschreibstoff erläutert: «‹Papyrus›, Papier, ist eine Art von Beschreibstoff, aus alten Tüchern hergestellt, worauf man zu schreiben pflegt an Stelle von Pergament.» (S. 794) Und etwa zur gleichen Zeit vermerkt Paulerinus über dessen Hersteller: «Der Papierer ist ein Handwerker, welcher Papier herzustellen versteht von grösserer und kleinerer Dicke. Sein Rohmaterial, mit welchem er arbeitet, ist alles leinene oder wollene Tuch, welches faulen kann, und mit starkem Kochen gibt er ihm weisse Farbe mit ‹iuncus marinus›. Seine Hilfsmittel sind Kochkessel, Öfen, Keller, ‹iuncus› [Binse], Formen, Bütten und anderes.» (S. 792)

Die Spanne der von Steinmann aufgefundenen und zusammengestellten Quellen reicht weit: von Ciceros gar nicht so antik wirkender Reflexion, ob denn aus zufällig dahingewürfelten Buchstaben auch nur ein einziger Vers entstehen könne (S. 15), bis etwa zu Johannes Trithemius und dessen 1492 entstandenem Lob der Schreiber, in dem der Abt von Sponheim die Gedächtnisfunktion aller Schrift gerade auch in Bezug auf die Autoren hervorhebt: «Das Schreiben nämlich ist es, welches euch gewissermassen unsterblich macht und auch über das Sterben hinaus bewahrt. Mag jeder tun wie er will und stolz sein auf die Tätigkeit, welche er erlernt hat: Allein die Schrift ist es, welche euch auch nach dem Tod in Erinnerung halten wird.» (S. 848)

Wider das Vergessen der mittelalterlichen Schreiber und ihres gelehrten Handwerks sei die Lektüre dieses gehaltvollen Bandes empfohlen – kursorisch oder in passenden Häppchen dank des vom umfangreichen Namen- und Sachregister ermöglichten Zugriffs.

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