Philosophie der Blattbildung – Teil 1: Lebensweisheiten zur Formation

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Univ.-Prof. PD Dr. Wilhelm Kufferath von Kendenich

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sph-Kontakte Nr. 82 | Dezember 2005

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Heute weiß wohl jeder, dass Papier etwas mit Holz zu tun hat, und meist ist auch bekannt, dass da Wasser noch eine gewisse Rolle spielt. Holz liefert in einem mehr oder weniger komplizierten physikalischchemischen Vorgang die so genannten Papierfasern, die das Grundmaterial des Papierblattes darstellen.

In der Papiermacherei bezeichnet man den Vorgang der Bildung eines Blattes in Anlehnung an den englischen Begriff forming mit dem deutschen Wort Formieren und fasst alle Eigenschaften, die mit der inneren und äußeren Gestaltung des durch die Formierung entstandenen Blattes zusammenhängen, im Sinne einer Qualitätsbeschreibung als seine Formation. Im täglichen Sprachgebrauch wird aber auch Formieren immer häufiger mit Formation bezeichnet.

Im Leben, auf den Menschen bezogen, hat Formation etwas zu tun mit Vorbereitung, Ausbildung, mit Format, mit Bildung, mit Gestaltung, mit all dem, was letzten Endes die Formung der Persönlichkeit ausmacht. So mag der Versuch wirklich nicht abwegig erscheinen, einige Grundregeln der Blattformation tatsächlich aus ihrem technisch-wissenschaftlichen Zusammenhang herauszutrennen und mit Blick auf das Leben anzuschauen.

Im Ablauf des Blattentstehungsvorganges auf der Papiermaschine, des zentralen Vorganges der Papierherstellung, kann man Grundregeln erkennen, die für ein gutes Endergebnis beachtet werden müssen.

Sieht man diese Grundregeln im Kontext des Lebens, dann werden sie unversehens zu ‚Anweisungen zum praktischen Handeln‘ für das Leben eines jeden Einzelnen von uns, das sich nur in der Gesellschaft verwirklichen kann, sie werden zur kleinen Lebensphilosophie, zum Nähkästchen für manche Lebensweisheit.

Verwunderlich sind solche Bezüge eigentlich nicht, die Natur schreibt die Grundregeln für das Leben, und Technik ist kopierte und getrimmte Natur.

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Festigkeit von Papier und Stahl

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Fasern sind ganz schlanke Gebilde mit einer Länge im Bereich von 0 von bis zu 4 Millimeter; sie sehen aus wie zusammengequetschte Röhrchen, unregelmäßige kleinste Bänder mit 2 mehr oder weniger flachen Oberflächen von 10 bis 50 Mikrometer Breite. Die Fasern sind also 200 Mal so lang wie breit. Überträgt man dies auf leichter vorstellbare Maße, dann wäre eine Faser von 5 cm Breite demnach 10 m lang, also außerordentlich schlank. Nicht einmal die Modells der Pariser Modeschöpfer können einen solchen Schlankheitsgrad überbieten: 1 zu 200 in Zahlen ausgedrückt.

Offensichtlich müssen die Papierfasern zum Blatt zusammen- oder ineinandergelegt werden, und die meisten Leute stellen sich vor, dass da irgendein Kleber verwendet wird.

Das Problem der Verbindung löst sich sehr einfach. Legt man die Fasern nämlich in Wasser, dann – man könnte sagen – aktivieren sich physikalisch gesehen ihre Oberflächen, Wasser lagert sich innig anschmiegend an die Oberfläche an, so dass sich im Wasser eine Wasserhülle um jede einzelne Faser bildet. Stoßen nun z.B. zwei Fasern aneinander, so berühren sich nicht die Fasern selbst, sondern die Wasserhüllen, welche die beiden Fasern getrennt halten. Lässt man die Fasern abtrocknen, so wird die Wasserhülle mit fortschreitender Trocknung immer dünner, bis sich die Moleküle beider Fasern so dicht einander annähern, dass sie von den physikalischen Anziehungskräften, wie sie bei größter Annäherung der Moleküle natürlicherweise zwischen ihnen auftreten (van der Waalsche Anziehungskräfte genannt), fest zusammengehalten werden.

Diese natürliche Faser-zu-Faser-Bindung erreicht typischerweise, es ist kaum zu glauben, eine Zugfestigkeit von 25 bis 40 kg pro jeden Quadratzentimeter Faserberührungsfläche, im Vergleich dazu liefert ein normaler Weichstahl eine Zugfestigkeit von 900 bis 1500 kg pro Quadratzentimeter. Immerhin macht somit die Festigkeit der Bindung zweier Papierfasern grob ein Vierzigstel der Festigkeit von Stahl aus, das ist ganz beachtlich. Rechnet man diesen Wert auf der Basis von Mittelwerten um, so ergibt sich eine Festigkeit einer einzigen Faser-zu-Faser-Bindung von durchschnittlich 0,3g.

Will man eine Einkaufstasche aus reinem Papier mit 3 Liter Milch nach Hause schleppen, dann muss man durchschnittlich 10 Tausend Einzelfaser-Bindungen bemühen, um dieser Milchlast Herr zu werden, Tagesration für 6 Babys.

Wichtig für den Prozess des Blattbildens, man braucht Wasser, um die Fasern durch langsames Abziehen des Wassers so nahe aneinander zu bringen, dass sie ohne Bindemittel zusammenhalten.

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Gleichmäßigkeit des Papiers, Paradies und Alptraum

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Wenn das Papierblatt aus einzelnen Fasern besteht, so ergibt sich die Aufgabenstellung, die Fasern – sich in ihren flachen Oberflächen berührend -, so über eine Fläche verteilt nebeneinander und übereinander, sich kreuzend und in jede denkbare Richtung hinzulegen, dass sie den Raum ausfüllen, den das wenn auch dünne Blatt einnimmt und dessen Fläche der Größe des gewünschten Blattes entspricht.

Es ist leicht einzusehen, dass man bestimmte Anforderungen an die Art und Weise der Positionierung der Fasern im Blatt oder genauer gesagt im Blattraum wünscht, damit das fertige Blatt bestimmte Eigenschaften zeigt.

Man möchte z.B., dass überall über der ganzen Blattfläche bzw. im gesamten Blattraum gleiche und gleich viele Fasern und gleich viele in jede mögliche Richtung liegen, denn dann ist das Blatt überall gleich dick und überall gleich dicht, und es hat damit im Gegenlicht überall die gleiche Transparenz, wir sagen kurz, es hat eine gleichmäßige Formation, weil seine Bildung überall von gleicher Art ist, qualitativ als auch quantitativ.

Man kann sich auch vorstellen, dass der Papiermacher ein Blatt anstrebt, das in Längsrichtung eine hohe Festigkeit besitzt, in Querrichtung eine geringere in Kauf genommen werden kann, z.B. wenn er Papiertragsäcke erzeugen will; aber er möchte auch dann über die ganze Breite des Blattes verteilt eine gleich hohe Festigkeit haben, also auch wieder ein gleichmäßiges Blatt.

Hieraus erkennt man schon, dass das Ziel des Papiermachers darin besteht, eine möglichst gleichmäßige Formation in seinem Blatt zu erreichen. Je gleichmäßiger das Blatt, umso gleichmäßiger saugt es die Druckfarbe auf, um so gleichmäßiger wird die aufgetragene oder aufgedruckte Strichstärke ausfallen, um so gleichmäßiger der Glanz des Blattes, seine Dicke und um so gleichmäßiger viele andere Blatteigenschaften. Gleichmäßigkeit ist der paradiesische Traum des Papiermachers. Oder soll man sagen sein Alptraum!

Daran nun schließt sich die brennendste Frage der Papiermacherei überhaupt an: Wie gleichmäßig ist das gleichmäßigste Blatt, das sich überhaupt denken lässt?

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Wertvoller als Gold: handgelegtes Papier

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Es wäre natürlich am besten, man sortiert die zur Produktion zu verwendenden Fasern aus, nimmt nur gleichlange und gleichdicke ‚wasserdurchtränkte‘ Fasern von einer bestimmten Holzsorte und legt nun eine nach der anderen z.B. auf ein Sieb von der Flächengröße des gewünschten Blattes ab, schön sorgfältig, überall gleich viele, auch übereinander, und mit gleichviel Kreuzungspunkten mit den Nachbarfasern, ganz ähnlich der Art, wie die Ägypter früher aus Papyrus das Blatt zusammengelegt haben. Natürlich eine Sisyphusarbeit, doch ein regelmäßiges und gleichmäßiges Blatt, ein Blatt von maximaler Gleichmäßigkeit, von bester Formation. Aber, dieses Blatt wäre das wohl weitaus Teuerste, das auf dieser Welt zu haben wäre. Preziosen wären dann aus Papier, statt aus Gold und Edelsteinen. Und der Papiermacher wäre ein Faserleger ähnlich einem Ziegelsteinleger, also ein Papiermaurer. Aus wirtschaftlichen Gründen ein nicht gangbarer Weg.

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Fasertransport auf der Wasserstrasse

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Nachdem die Fasern vor dem Ablegen im Blattraum schon im Wasser ‚durchnässt‘ sein müssen, damit durch das Trocknen ihre Bindungsfestigkeit entsteht, liegt es nahe, das Wasser gleich als Transportvehikel zu benutzen, wie eine Wasserstraße für Lastschiffe über und unter Wasser, um damit die Fasern in den Blattbildungsraum zu transportieren, einfach hinzuschwemmen.

Da das spezifische Gewicht der Fasern im wesentlichen nicht höher ist als jenes von Wasser, schweben die Fasern mehr oder weniger im Wasser und lassen sich darin leicht mitführen. Viel leichter als Sand in einem Flussbett.

Vergessen wir aber nicht die Forderung nach guter Formation. Weil der Papiermacher als Faserleger zu teuer kommt, also die einzelne Faser nicht mehr in die Hand genommen und an einen genau vorbestimmten Platz verbracht werden kann, geht die Kontrolle über die Position der einzelnen Faser im Blattraum verloren und damit die ideale Gleichmäßigkeit, d.h. die beste Formation.

Es gehört ungeheuer viel Esprit, Kreativität und

technische Genialität dazu, das Wasser so auf die Papiermaschine strömen zu lassen, dass es überall gleich viele Fasern mit gleich vielen Kreuzungspunkten und gleich oft alle Lagerichtungen berücksichtigend hintransportiert. Perfekt ist diese Aufgabenstellung bisher nicht gelöst, aber doch fast unvorstellbar gut.

Man muss bedenken, dass heute endlose Blätter in einer Breite von um 10 m herum hergestellt werden, wo die Ablage von Milliarden einzelner Fasern zu bewältigen ist. Der Kern des Problems liegt eigentlich darin, dass es irgendwie gewissen Zufälligkeiten zuzuschreiben ist, wohin die eine oder die andere Faser durch das Wasser im Blattraum zu liegen kommt.

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Papiermachen von Geisterhand

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Was wir Papiermacher erreichen wollen und welchen Schwierigkeitsgrad wir dabei zu überwinden haben, könnte man vielleicht so beschreiben: ein Lastwagen bringt eine Ladung Ziegelsteine heran, der Fahrer öffnet die hintere Klappe des Laderaumes, hebt den Kipper steil an, die Ziegelsteine rutschen heraus und fallen zufällig, wie von Geisterhand geführt, so herunter, dass sich – gerade einer neben dem anderen und einer über dem anderen landend – die Ziegelsteinmauer in bekannter Regelmäßigkeit bildet. Klar, wir erwarten das Unmögliche. Dieser wunderbare Vergleich stammt aus der Feder von Otto Kallmes.

Erneut stellt sich die Frage: Wie gleichmäßig lässt sich mit der ‚Wassertechnik‘ ein Blatt formieren? Und was hat es mit den zuvor erwähnten Zufälligkeiten auf sich?

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Blattbildung in hunderttausend Würfeln

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Wir stellen uns vor, dass die vom Wasser herangetragenen Fasern auf einem Sieb zum Blatt abgelegt werden; auf einem Sieb, damit das ‚überschüssige‘ Wasser, nämlich die Wassermengen, die nur zum Transport und nicht für die Hervorbringung der Faserbindungen erforderlich sind, rasch ablaufen kann. Den Raum über dem Sieb nennen wir den Blattbildungsraum, und wir wollen ihn in viele kleine Kuben einteilen, z.B. in 100.000 kleine Würfel. Wir lassen ganz wie in der industriellen Praxis das Wasser mit den Fasern in den Blattbildungsraum hineinlaufen, sozusagen auf das Sieb; dieses wird im wesentlichen die Fasern auf seiner Oberseite zurückhalten, sie also zum Niederlegen zwingen, während das Wasser durch die Maschen verschwindet. Waren genug Fasern im anströmenden Wasser enthalten, dann bleibt ein mehr oder weniger dichtes Fasernetzwerk auf dem Sieb zurück, nämlich unser Blatt.

Wenn dieses Blatt nun gleichmäßig sein soll, dann, so können wir uns leicht vorstellen, müssen die Fasern im Wasser des Blattbildungsraumes, bevor sie sich auf dem Sieb zum Blatt niedergelassen haben, gleichmäßig verteilt sein, d.h. beispielsweise, dass in jedem der oben gedachten 100.000 Würfel die gleiche Anzahl von Fasern enthalten sein muss.

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Vorformation als technischer Prozess

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Ein Papierblatt kann nur so gleichmäßig sein wie die Suspension (das Gemisch von Fasern und Wasser) im Blattbildungsraum, aus welcher das Blatt gebildet (geformt) wird. Je gleichmäßiger die Fasern im Wasser verteilt sind, je besser fällt die Formation des Papieres aus.

Anders ausgedrückt: Je besser die Dispergierung der Fasern in der Suspension, um so besser die Formation des Blattes. Oder: Je besser die ‚Formation‘ der Suspension, man müsste sie die Vorformation nennen, je besser die Formation des Blattes.

Übertragen wir das auf unser Leben, auf uns, auf unsere Gesellschaft: Formation ist Formung, Ausbildung, Vorbereitung, und auf die kommt es doch so oft an; eine qualifizierte Ausbildung ist das A & O, eine ganz wichtige Voraussetzung für das Leben. Wer wollte das leugnen. Tiere wissen das in ihrem Unbewusstsein ganz genau und halten sich daran, ohne konsequentes Lehren und Lernen können die meisten Arten nicht leben bzw. nicht überleben. Wir dagegen nehmen das nicht immer so genau, besonders nicht, wenn wir jung sind.

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Vorformation als geistig-seelischer Prozess

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Jede wintersemesterliche Wiederholung der Erklärung dieses wichtigen Grundgesetzes der Blattbildung vor meinen Studenten hat mich immer wieder zum Nachdenken gebracht und mich veranlasst, die Regeln auf das Leben zu übertragen. Nur einige Beispiele:

Jeder von uns ist oft vor schwierigen Entscheidungen und Verhandlungen gestanden, ohne wirklich zu wissen, wie das anstehende Problem zu lösen sei. In solchen Situationen habe ich nur eines gewusst, ich muss mich gründlich vorbereiten, mein ganzes Umfeld, soweit es mit der Entscheidungsfindung zusammenhängt, durchleuchten, alle Möglichkeiten durchdenken, alles Material, alle Zahlen durcharbeiten und schließlich so vorbereitet in die letzte Runde einsteigen, auch ohne die definitive Lösung in der Tasche oder im Kopf zu haben. Vorformation!

Dann, in der letzten Minute der letzten Runde, wenn die Entscheidung endgültig fällig wird, dann ist nicht mein Verstand, mag er noch so trainiert sein, mein wirklicher Ratgeber, er ist wie immer nur mein Helfer, mein Werkzeug zu meiner Formation; nein, im entscheidenden Moment ist mein Unbewusstes das, was mich wirklich trägt und leitet. Es ist zu ungeahnten, zu viel besseren Kombinationen fähig als meine Ratio, es ist der kreativste Teil in mir, und es präsentiert mir die Lösung, vorausgesetzt, ich habe in mir mit Hilfe meines Verstandes die notwendige geistig-seelische Vorausarbeit, Vorformation, geleistet.

Die abzuleitende Verhaltensregel heißt: vor schwerer Entscheidung Ruhe geben, vorsichtig sondieren, alles erwägend sich vorbereiten, dann ins Rennen gehen, ganz ruhig, auch ohne Lösung im Gepäck. Alles innen drin ist aktiviert, und so fällt einem schließlich die Lösung zu. Wie das im entscheidenden Moment vor sich geht, kann man sich am besten als einen raschen Spaziergang durch das wache Unbewusstsein vorstellen, als ein blitzschnelles Absuchen aller seiner Kammern, um das dort Vorgefundene unter Hinzuziehung aller verstandesmäßigen Aspekte mit allen Argumenten und Überlegungen des Gegenübers zu kombinieren und so die Lösung zu finden.

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Papiermachen als kleine Lebenspsychologie

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C. G. Jung hat es viel treffender beschrieben. In unserem Unbewussten lebt der alte weise Mann, der die gesamte Geschichte der Menschheit mit all ihren Lebenserfahrungen und Anpassungsvorgängen in sich trägt. Man könnte auch sagen, es ist die Pythia, die aus dem Wissen über die Vergangenheit uns die Lösungen für die Zukunft suchen hilft.

Jung geht noch weit darüber hinaus. Er meint, in unserem Unbewussten ist eines jeden Persönlichkeit in ihrer ganz individuellen Ausprägung angelegt, und er versteht es als den Sinn jeden Menschenlebens, von Anbeginn an immer weiter im Kennenlernen der individuellen Ausprägung im Unbewussten fortzuschreiten und sein Leben dem innenliegenden ‚Individuum‘ als der persönlichen Vorgabe immer mehr anzunähern. Individuation nennt er das. Man könnte auch sagen: ‚Der Weg ist in dir!‘ Man muss ihn in sich suchen und pflegen, damit er begehbar wird und bleibt und man ihn immer unter die Füße nehmen kann.

Papiermachen ist wohl so etwas wie ein kleines Büchlein über Lebensphilosophie. Blattbildung nenne ich das Leben, (Blatt-)Bildung zur Persönlichkeit. Und das Unbewusste ist der Blattbildungsraum. So bin ich wirklich ein Papiermacher: je besser die Formation der Suspension (Vorbereitung des Unbewussten), je besser die Formation des Blattes (Qualität der Lösung).

Ein chinesisches Sprichwort gibt den dargelegten Sachverhalt in gekonnter Bildersprache treffend und so bescheiden wieder: Der Meister kommt, wenn der Schüler bereit ist!

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Quelle der Erkenntnis

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Thomas S. Kuhn sagt, wir dürfen den Prozess des Erkennens „nicht als etwas auffassen, das wir durch Anwendung von Regeln und Kriterien zustande bringen“. Erkenntnis kann nicht vor sich gehen, „ehe man eine Empfindung gehabt hat“. Danach suchen wir oft nach Kriterien und wenden sie an. Wir können dann eine logisch-wissenschaftliche Interpretation des so Erkannten unternehmen. Das genau trifft den Kern: fast alle großen Erfindungen und Problemlösungen, allgemeiner noch, jede Kreativität, kommen aus dem Bereich des Unbewussten, aus der Intuition. Der Kreative bereitet auch mit rationalen Mitteln gründlich den Boden vor, indem er sich oft lange, nicht selten sein ganzes Leben lang, intensiv mit einem, seinem Problem auseinandersetzt, alle Aspekte beleuchtet und untersucht. Die Vorformation ist geleistet. Und dann auf einmal das berühmte Ich hab‘s! .

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Vorformation als Vorbild

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Die Verteilung der Fasern in der Suspension ist das Vorbild der Verteilung der Fasern im Blatt. „Wie der Herr, so‘s G‘scherr.“ Vorbild ist das Erziehungsmittel überhaupt. Wir wissen das von Beobachtung der höheren Tiere, die das ganz konsequent betreiben. Menschen scheinen das nur allzu oft zu vergessen.

Viele Beobachtungen bestätigen immer wieder, Kinder nehmen keine noch so ausgeklügelte Erziehungsmethode so mühelos und selbstverständlich an wie die des Vorbildes. Schweigendes Vorbild gilt Kindern tausendfach mehr als so viele endlose Diskussionen (mit unverrückbaren und unüberbrückbaren Standpunkten) und der heute so hoch gelobte ‚kultivierte‘ Streit.

Unsere Kinder lassen, aber nicht fallenlassen; festhalten

im Vorbild, nicht als Besitztum.

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Goldene Regel des Zufalls

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Aber weiter zur Blattbildung mit Papierfasern. Nehmen wir an, in dem mit Wasser voll gefüllten Blattbildungsraum von 100.000 kleinen Würfeln befinde sich gerade eine einzige vom Wasser herantransportierte Faser (unser Lastwagen mit einem Ziegelstein!). Frage, in welchem Kubus wird diese eine Faser landen? Hätte sie die Eigenheit, aus irgendeinem Grund (z.B. aus sich selbst heraus oder durch das System bedingt), in einem bestimmten Würfel zu landen, dann könnte es eine oder sehr viele andere Fasern mit derselben Eigenschaft oder salopp ausgedrückt mit demselben Tick geben, warum auch diese alle in dem einen bestimmten Kubus zu liegen kämen. Die Folge, das entstehende Blatt wäre ungleichmäßig, viele Fasern in einem Würfel, wenige in allen anderen.

Wie soll man sich solches Faserverhalten vorstellen? Nun ja, im Leben gibt‘s das wohl auch: mehrer Herren fühlen sich von derselben Dame angezogen, auch da lässt es nichts Gutes ahnen.

Das Gedankenspiel der betickten Faser zwingt zu folgender Prämisse: keine der Fasern darf die Tendenz an sich tragen, in einem bestimmten der vielen Kuben des Blattbildungsraumes landen zu wollen, eine reichlich abstrakte Vorstellung, aber konsequent und von äußerster Wichtigkeit; sie führt zu einem weiteren Grundsatz der Blattbildung.

In einem Blatt kann eine gleichmäßige Formation nur dann erreicht werden, wenn keine der beteiligten Fasern in ihrem Auswahlverhalten, in irgendeinem bestimmten Würfel aus den 100.000 zu liegen zu kommen, bevorzugt ist.

Wie immer das technisch erreicht werden kann, jedenfalls ist das die Grundbedingung für die denkbar beste Formation. Wenn keine der Fasern eine Positionspräferenz besitzt, dann bezeichnet man ihre Positionierung im Blattbildungsraum als rein zufällig.

Klettern wir wieder herunter von der Papiermaschine

zurück ins tägliche Leben. Was heißt dort zufällig? Wir benennen in der Umgangssprache alle Ereignisse mit Zufall, deren Ursache wir nicht erkennen und die uns nicht als notwendig oder gewollt erscheinen, und wir haben das Gefühl, es hätte auch anders kommen können.

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Prinzip der gleichen Chance

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Als Ingenieure versuchen wir den Sachverhalt des Hätte-auch-anders-herauskommen-Könnens präziser zu fassen. Sehen wir uns das am Beispiel des Spielwürfels an. Ein solcher Würfel lässt beim Spiel 6 Ereignisse zu, eines wie das andere kann eintreten; ist der Würfel sauber gearbeitet, dann gibt es keinerlei Präferenz für irgendeine Zahl. Das Ergebnis ist Zufall.

Zufall ist in der strengen Definition, wenn von allen möglichen Ereignissen jedes Ereignis ein aktuelles werden kann, ohne dass eines bevorzugt wäre, ein aktuelles zu werden; noch präziser: jedes Ereignis der möglichen Ereignisse ist mit der gleichen Chance ausgestattet, sich in ein aktuelles zu verwandeln. Mathematisch gesehen heißt mit der gleichen Chance ausgestattet sein auch die gleiche Wahrscheinlichkeit besitzen, wobei einfach der Quotient aus aktuellem Ereignis zu möglichem Ereignis die Wahrscheinlichkeit definiert.

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Gleiche Chance für alle

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Nun wieder zurück zur Blattbildung, zurück zu der geforderten Eigenschaft des Blattbildungsprozesses, dass keine Faser gegenüber einer anderen in ihrem Ablageverhalten bevorzugt ist. Der dahinter stehende Grundsatz der Blattbildung lässt sich nunmehr so ausdrücken:

In einem Blatt kann die höchste Gleichmäßigkeit der Formation nur dann erreicht werden, wenn alle beteiligten Fasern die gleiche Chance haben, in irgendeinem der Würfel des Blattbildungsraumes zu liegen zu kommen. Anders, als Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, jede Faser muss die gleiche Wahrscheinlichkeit wie ihre Nachbarfasern besitzen, in irgendeinem der gedachten 100.000 Kuben zu landen. Ist dies gewährleistet, dann erreicht man die denkbar höchste Gleichmäßigkeit, die denkbar beste Formation.

Dies hier ist die perfekte Beschreibung des Traumzieles der Papiermacher; so einfach sieht das Papiermacherparadies in mathematische Ausdrücke gekleidet aus: Gleiche Chance für alle.

Ingenieure, und zu denen gehören die Papiermacher, nehmen solche Definitionen sehr genau. Wir nennen die Eigenschaft der gleichen Chance für oder zu etwas die reine Zufälligkeit. Rein zufällig heißt, die gleiche Chance haben, und das wiederum bedeutet, mit der gleichen Wahrscheinlichkeit ausgestattet zu sein.

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Fortsetzung folgt…

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