«Papiernarren» – Vortrag an die Schweizer Papierhistoriker anlässlich ihres Treffens 2007 in Maienfeld

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von Hanspeter Leibold

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sph-Kontakte Nr. 86 | Dezember 2007

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Holzschnitt „Eva im Narrenschiff“, Paris um 1500

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Meine sehr verehrten Damen und Herren

Gerne bringe ich Euch heute einen kleinen Vortrag mit dem Titel «Papiernarren» zu Gemüte. Dabei stellt sich zuallererst die Frage «was sind überhaupt Papiernarren?»

Im ersten Moment könnte man meinen, es handle sich dabei um leidenschaftliche Papiersammler, besonders begeisterte Freunde des Papiers, Nostal­giker, die noch nie etwas vom papierlosen Büro gehört haben, «angefressene» Papierhistoriker oder «vergiftete» Papiermacher. Mitnichten – denn wer spricht schon gerne über sich selbst.

Reden wir also zuerst einmal über die Narren.

Alljährlich kündigt sich die närrische Zeit durch Ausgelassenheit, Verkleidung, Lärm und Spektakel an. Zur Verkleidung gehört, neben dem Gewand, in erster Linie eine Kappe und, um auf sich auch lärmmässig aufmerksam zu machen, Schellen, also Schellenkappen.

Betrachten wir einmal die Narren- oder Schellenkappe im volkskundlichen Sinne:

Die Narren- und Schellenkappe oder Esels­ohrenkappe, auch Torenkappe oder Gugel genannt mit überdimensional spitzen Ohren, ist bereits im 13. Jahrhundert ein Zeichen für Bosheit und Gottesferne bei Teufeln und Götzen. Humanisten verweisen im Zusammenhang mit der Eselsohrigkeit der Kappen gerne auf den antiken König Midos, von dem die Sage berichtet, dass ihm wegen seiner törichten Gier nach irdischem Reichtum Eselsohren gewachsen seien.

Ein wichtiges Narrenattribut sind Schellen an Gewandzipfeln und vor allem an der Eselsohren­kappe. Von den Theologen wurden die Schellen in Verbindung mit dem Paulus-Wort aus dem 1. Korintherbrief, 13, 1, gebracht: «Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich wie ein klingendes Erz und eine tönende Schelle», vorgeschrieben als Epistel für die Messe am Fasnachtssonntag, nach der alten Leseordnung der katholischen Kirche bis zum 2. Vatikanischen Konzil.

Die Schelle war Zeichen dafür, dass der Narr ein Individuum ist, ohne die Fähigkeit der Nächstenliebe, die höchste der christlichen Tugenden. Narren sind ganz auf sich fixiert und alles was man von ihnen hören kann ist nichts weiter als hohles Getön und leeres Geklingel.

Das Motiv der Schelle wurde gerne in Predigten aufgegriffen. Der Anhänger Sebastian Brants und Kanzelredner Johann Geiler von Kaysersberg ging in seiner Strassburger Rede aus dem Jahre 1486 sogar so weit, jede einzelne Torheit der Fasnachtsnarren als Schelle zu bezeichnen, was folgendermassen lautete: «Die erste Schell ist frölich sein, springen und tantzen (…) Die andere Schell ist sich vermummen und verbutzen und dem Teufel gleich machen (…) Die dritt Schell ist schlemmen, brassen, fressen und fühlen gleich wie ein Kuh (…) die vierdt Schell der Fasnachtsnarren ist, sich braumen (= berussen) und besudeln under dem Angesicht (…)»

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Soviel zu den gewöhnlichen Narren

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Nun kommen wir zu den besonderen, den Papiernarren. Leise und unbemerkt, nur für Kenner sichtbar, haben sich die Narren im Laufe der Zeit in die Registraturen und Archive als Kuriosität ins Papier eingeschlichen: es handelt sich dabei um Papiere mit dem Schellen- oder Narrenkappenwasser­zeichen, französisch filigrane au fou oder englisch foolscap watermark.

Was mag die Papiermacher dazu bewogen haben solches Papier herzustellen? Wasserzeichen, seit 1282 bekannt, waren seit etwa 1350 als eine Art handwerkliche Herkunfts- und Gütezeichen all­gemein in Anwendung und sind Zeugen der Kunst­fertig­keit der alten Papier- und Formenmacher. Sie sind dadurch entstanden, dass eine aus feinem Draht geformte Figur auf das Sieb der Schöpfform gebunden wurde. Dieser Draht kann in jede mögliche lineare Form gebogen werden. Über diesen Zeichen lagert sich beim Schöpfen weniger Faserbrei ab, das Blatt wird dadurch dünner bzw. durchsichtiger und heller, wenn man es gegen das Licht hält. Diese Wasserzeichen enthielten oft die Anfangsbuchstaben des Papiermachernamens, Zeichen von Tieren, Pflanzen, Wappen und der­gleichen und ferner Hoheitszeichen der geist­lichen und weltlichen Obrigkeiten. Als Zeugen hand­werklicher Volkskunst verdienen sie eben­so in ästhetischer Hinsicht Beachtung. Die Entwicklungswege und Wandlungen in der formalen Gestaltung als Motiv und die Symbolsprache dieser Zeichen spiegeln geistige Denk- und Vorstellungsweisen, soziale Verhältnisse und kulturelle Prozesse früherer Zeiten. Durch die Identifikation des Wasserzeichens ist es oft auch möglich, die Herkunft des Papiers, den Papiermacher, sogar die Zeit, aus der das Papier stammt, zu bestimmen.

Interessant ist dabei die gelegentliche Vorliebe der Papierer für eigenartige Figuren, die aus der Volkskunde und dem Volksleben der damaligen Zeit ent­nommen wurden, wie zum Beispiel der Narretei. So finden sich gerade die verschiedensten Narren- und Schellen­kappen­­wasserzeichen ursprünglich vor ­allem in den Papiermühlen des schwäbisch- alemannischen Raumes um Rhein und Bodensee, in den Hochburgen der Narretei, so zum Beispiel in Basel und in den süddeutschen Städten Villingen, Rott­weil, Schramberg, Rottenburg und Lindau.

Schellenkappenpapier ist dort im Spät­mittelalter noch jahrhundertelang her-gestellt und nach aller Herren Länder exportiert worden.

Die Narrenkappenpapiere waren nicht nur besonders originell, sondern auch teurer und wertvoller als andere Papiere. Eine Rechnung in den Prozessakten des Papiermeisters Adam von Auw aus der Schewensmühle (der heutigen Papierfabrik Schöller) von 1747/1748 zeigt dies; darin ist zu lesen: «Ein Reiss Einhornenpapier für 9 Goldgulden, ein Reiss fein Narrekapepapier für 15 Goldgulden».

Albrecht Dürer, der sich einige Zeit in Basel, einer Papierer-, Drucker- und Narren­stadt aufgehalten hat, zeichnete und druckte auf dort gekauftes Schellen­kappenpapier.

Der aus Lindau stammende, nach England ausgewanderte Papiermacher John Spilman fertigte in seiner «Wheat Mill» solche Papiere auch in seiner neuen Heimat Dartfort an; auf ihnen wurden die ersten Folio-Ausgaben von Shakespeare gedruckt.

Briefe, Erlasse, Berichte, Kontrakte und Verzeichnisse der Reichsstädte und Klöster und fürstliche Dekrete und Gesetze wurden auf diesem Papier geschrieben oder gedruckt: die Sitzungsberichte der Ulmer Kreistage,  die Ausschreiben des Klosters Marchtal,

Werke des Predigers Abraham a Santa Clara und Stempelpapiere verschiedener Regierungen, um nur einige zu nennen.

Die Narretei, damals für jeden amtlichen Antrag eine Taxe bezahlen zu müssen, wurde durch das entsprechende Wasser­zeichen bestätigt.

Standen die Gesetze womöglich «nur auf dem Papier»? «Blieben» gewisse Angelegenheiten «nur Papier» oder wurden sie zur «reinen Makulatur»? Waren es die Gedanken eines «Papiertigers»? Gab es «papierne» Abmachungen? Oder waren sie vielleicht «das Papier nicht wert»? Führten die Obrigkeiten gar eine «papierne Sprache»? Oder war die eine oder andere Sache «nicht von Pappe» oder «rauschte es gar im Blätterwald» oder ist alles nur Narretei?

Jede Predigt, jedes Urteil, jeder Kontrakt, jeder Erlass konnte beim Bewundern des verborgenen Wasserzeichens relativiert, leise belächelt und hinterfragt werden. Der Schalk lässt grüssen!

So hielten die Narren, oft unbemerkt, Einzug in Gesellschaft, Politik und Kirche und das nicht nur an Fasnacht. Nur für Kenner sichtbar, haben sie sich als Kuriosität im Laufe der Zeit unauslöschlich ins Papier eingeschlichen und erfreuen auch heute noch diejenigen, die ein Auge dafür und Musse dazu haben.

Die Zeiten der Wasserzeichen sind vorbei, es gibt fast keine mehr. Auch die Wasserzeichen mit Narren­kappen sind verschwunden.  Nur die Narren sind geblieben! Mit dieser nachdenklichen und amüsanten Betrachtung und einem kleinen Geschenkchen aus meiner Werkstatt für jeden von Euch bedanke ich mich für Eure Aufmerksamkeit.

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