Die Restaurierung und Präsentation der Ebstorfer Weltkarte
von Francesco Carmenati und Friederike Koschate
sph-Kontakte Nr. 87 | Juli 2008

Die Ebstorfer Weltkarte ist eine mittelalterliche Radkarte mit einem Durchmesser von 3,57 m. Insgesamt hat sie eine Fläche von 13,5 m² und ist damit die grösste mappa mundi aus dem Mittelalter. Die Pergamentkarte ist die umfassendste und reichhaltigste Erdendarstellung aus dieser Zeit. Auf ihrer Fläche ordnen sich die Erdteile Asien, Europa und Afrika kreisförmig um den Weltmittelpunkt Jerusalem. Sie stellt, mit fast 2000 Zeichnungen und erklärenden Texten ausgestattet, eine riesige Sammlung mittelalterlichen Weltwissens dar.
Die Karte besteht aus 30 Ziegenpergamenthäuten unterschiedlicher Grösse, die miteinander vernäht sind. Die Pergamentkarte ist handkoloriert.
Entstanden ist die Weltkarte wahrscheinlich Mitte des 13. Jahrhunderts. 1943 fiel sie, nachdem sie leider von ihrem angestammten Platz und wahrscheinlichen Herstellungsort im Kloster Ebstorf in der Lüneburger Heide ins Vaterländische Archiv nach Hannover verbracht worden war, einem Bombentreffer zum Opfer. Zum Glück für unsere Zeit gab es von der Karte Fotos aus den 1890er Jahren, die erhalten geblieben waren und nach deren Vorlage zwischen 1950 und 1953 vier Kopien hergestellt wurden. Diese befinden sich jeweils im Kloster Ebstorf, auf der Plassenburg bei Kulmbach und in Lüneburg. Der Verbleib der vierten Kopie ist noch unklar, die Spur verliert sich in Griechenland. Wir sind deshalb für eventuelle Tipps über ihren jetzigen Standort sehr dankbar. Die berühmte Ebstorfer Weltkarte wurde nun 2007 restauriert und ist danach in einen eigens für sie und ihre Präsentation gestalteten Raum innerhalb des Klosters umgezogen. Seit 2004 waren wir mit der Restaurierung und dieser Neupräsentation befasst.

Altmontage mit durchschraubter Aluminiumleiste
Zu Beginn unserer Arbeit haben wir den Zustand der Karte dokumentiert, dazu haben wir die Karte fotografiert und in einem Formblatt die Schäden und Techniken kartiert. Die Weltkarte war auf der Oberfläche recto und verso stark verschmutzt. Sie war am alten Standort im Kloster mit Schrauben durch eine Aluminiumleiste und mit Eisennägeln direkt an einem Holzrahmen befestigt worden.
Die Unterkante der Karte war lose hängend ebenfalls direkt am Objekt mit einer hier doppelten Aluminiumleiste verschraubt. Durch diese Montage entstanden Löcher von bis zu sieben Millimetern Durchmesser und Rostflecke. Weiterhin wies die Weltkarte Risse und Fehlstellen im Pergament auf. Einige der Nähte, mit denen die einzelnen Pergamenthäute zusammengenäht sind, waren besonders im Randbereich gelöst.

Restaurierung der Schäden
Ferner wurde die Verwendung eines Klebstoffes festgestellt. Zur Identifizierung dieses Klebstoffes wurde eine Analyse erstellt. Es handelt sich hierbei um ein Polyvinylacetat. Dieser Klebstoff befindet sich zwischen den Überlappungen der einzelnen Pergamenthäute und tritt teilweise an den Kanten aus. Zudem gibt es auf der Oberfläche aufliegende Klebstoffverunreinigungen. Dieser Klebstoff hat bisher noch keine schädigenden Auswirkungen auf die Karte gezeigt, er verbleibt an Ort und Stelle, wird aber weiter von uns beobachtet. Die verwendeten Farben zeigten sich bei Tests als unterschiedlich wasserempfindlich. Die Spanne reichte von unauffällig bis sehr lösungswillig. Die weitere Identifizierung der Malschicht und der Fixierung war jedoch nicht nötig, da durch den insgesamt guten Zustand keine Restaurierung der Malschicht erforderlich war. Nach der Dokumentation wurden daraufhin folgende Behandlungen durchgeführt:
Die Oberflächenverschmutzung wurde trocken abgenommen. Die Risse, Löcher und Fehlstellen im Pergament wurden geschlossen und optisch angepasst. Die grösseren Fehlstellen am oberen Rand der Karte wurden mit Ziegenpergament ergänzt. Rostflecke wurden mechanisch entfernt. Die gelösten Nähte wurden mit Leinengarn gespannt und verso fixiert. Die auf der Oberfläche sichtbaren Klebstoffverunreinigungen wurden, teils mechanisch, teils mit einem Lösungsmittel, reduziert resp. entfernt.
Nach der Restaurierung sollte nun die Weltkarte im neu gestalteten Ausstellungsraum montiert werden. Es war in vorausgehenden Beratungen und in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber entschieden worden, die Karte offen, d.h. nicht in einer geschlossenen Vitrine zu präsentieren. So musste eine Möglichkeit gefunden werden, das Pergament auf einer Rahmenkonstruktion zu befestigen, die der Karte einerseits Halt gibt, ohne sie andererseits einzuengen. Pergament ist ein sehr inhomogenes und hygroskopisches Material, es nimmt begierig Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft auf und wird sich immer in irgendeiner Weise bewegen, es dehnt sich und zieht sich bei wechselnden Klimata wieder zusammen. Man kann Pergament deshalb niemals in eine Form zwingen, man kann es nur führen.

Detail des Basisrahmens mit der Wabenplatte

Wabenplatte während des Aufbaues des Rahmens

Montage der Karte auf der Rahmenkonstruktion
Für die Präsentation der Ebstorfer Weltkarte wurde deshalb von uns eine spezielle Rahmenkonstruktion entwickelt, die der Besonderheit des Exponates im Hinblick auf Material, Technik und Grösse entsprechend ist. Der Rahmen besteht aus Aluminium, Edelstahl, Vlies und im Wesentlichen aus Karton. Er ist dadurch für seine Grösse leicht und nimmt durch die verwendeten Materialien keinen schädlichen Einfluss auf das Exponat. Wir haben die verwendeten Materialien zuvor auf ihre Unbedenklichkeit für das Objekt und im Hinblick auf die technische Umsetzung getestet.
Die einzelnen Bestandteile der 4×4 m grossen Rahmenkonstruktion sind Folgende: Die Grundlage ist der Basisrahmen, er ist der stabile Träger aus Aluminiumprofilen. Auf dem Basisrahmen sitzt der Vliesrahmen aus Aluminium. Auf ihm ist ein Vlies doppelt gelegt, verwebt und gespannt. Zwischen Vlies- und Basisrahmen ist die Wabenplatte montiert. Diese spezielle Wabenplatte ist ein von der Fa. Kulturengineering, Mollis, entwickeltes Modulsystem aus alterungsbeständigem Archivkarton, der aus Schweizer Produktion stammt.
Dieses System ermöglicht es uns, eine unendlich grosse, auf jedes Format abstimmbare, stabile und luftdurchlässige Unterlage aufzubauen. Das verwendete Material, nämlich Karton, dient zugleich als Klimapuffer. Diese Wabenplatte wurde von uns inzwischen auch bei Konservierungsverpackungen für grossformatige Pergamenturkunden eingesetzt. Entstanden ist damit eine flexible, leichte, vor Ort aufzubauende Rahmenkonstruktion, auf der die Karte punktuell befestigt werden konnte. Durch die originalen Nahtlöcher, die durch das Zusammennähen der einzelnen Pergamenthäute bei der Herstellung der Karte entstanden waren, wurde die Karte durch das Vlies aufgenäht und an der hinter dem Vlies befindlichen Wabenplatte fixiert.
Diese Art der Befestigung gibt der Karte die Möglichkeit sich auf dem Rahmen etwas auszudehnen und zusammenzuziehen, ohne dass Schäden entstehen können. Diese Fixierung ist, wie alles, das wir an der Karte vorgenommen haben, reversibel und entspricht so unseren restauratorischen Standards.
Für dieses nun abgeschlossene Projekt wurde im Kloster Ebstorf, das zu den fünf Lüneburger Klöstern gehört, die in der Leistungsverpflichtung der Klosterkammer Hannover liegen, umgebaut. Architekten, Planer, Restauratoren und viele Handwerker waren beteiligt. Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit aller wurde ein Optimum für das Objekt erreicht.
Diese mappa mundi wird nun von April bis Oktober eines jeden Jahres der Öffentlichkeit auf eine ganz neue Art und in Details der Präsentation in sehr bewährter Technik gezeigt. Die Ebstorfer Weltkarte ermöglichtuns dadurch einen sehr direkt erfahrbaren Zugang zum Weltbild des Mittelalters.
