Die erste rätoromanische Bibel, das Neue Testament des Iachiam Bifrun von 1560, stammt aus Basel

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von Peter F. Tschudin, Riehen

sph-Kontakte Nr. 90 | Dezember 2009

Die erste Buch-Sonderausstellung des neuen Schweizerischen Papiermuseums in Basel, 1980, zeigte unter dem Titel ‹Bibeln aus Basel und der Regio› auch das Titelblatt der Ausgabe des Neuen Testaments im Oberengadiner Dialekt von 1560, übersetzt durch Iachiam Bifrun. Aufgrund eines Typenvergleichs und einer summarischen Prüfung der Wasserzeichen eines Original-Fragments schien klar, dass Karl J. Lüthis Vermutung, dieser Oktavband sei in Basel gedruckt worden, entgegen anderen Meinungen den Tatsachen entsprechen müsse. Ein eigentlicher Beweis dafür fehlte jedoch.

In der Zwischenzeit hat Dr. Peter Möhr, Wädenswil, die Nachweise dafür zusammengestellt, dass Bifrun nicht nur den Druck dieser Bibel auf eigene Kosten in Auftrag gegeben hat, sondern in Basel die Fertigstellung des Drucks persönlich überwacht hat. Stevan Zorsch Chiatauni aus Chamues-ch hat also, wie das Impressum besagt, am Druck als Setzer und Drucker teilgenommen. Wer ist aber der im Impressum nicht genannte Drucker?

Ein neuer Vergleich mit den Typen, dem Layout und dem Papier des 1562 in Basel herausgegebenen rätoromanischen Psalters des Durich Chiampel (Ulrich Campell) erweist Übereinstimmung. Campell hatte diesen Psalter auf eigene Kosten bei Jacob Parcus (Kündig) in Basel drucken lassen, wie das Impressum aussagt. Damit steht Parcus als Drucker von Bifruns Neuem Testament fest.

Dank dem freundlichen Entgegenkommen des Druckereimuseums Stamparia in Tschlin-Strada konnte das in der dortigen Sammlung befindliche Original des Bifrun-Drucks in der Basler Papiermühle untersucht werden. Beim Papier handelt es sich um das verbreitete ‹Stab›-Kanzleipapier des 16. Jahrhunderts im Format von 44 x 33 cm, das auch in ganz Europa Verbreitung fand. Das Wasserzeichen, der Baselstab, ist leider von keiner Hausmarke begleitet. Festgestellt wurden zwei Siebpaare mit bisher so nicht nachgewiesenen Wasserzeichen der Typen Briquet Nr. 1268, 1284, 1275–1277 und 1286 (letzteres ohne Hauszeichen). Die Gestaltungsweise der Wasserzeichen, die Kettlinienabstände und die Rippung sowie die Regelmässigkeit des Siebbaus und die vorzügliche Papierqualität legen nahe, das Papier Friedli II Hüsler (Heusler), arbeitend in der Zunzigermühle im St. Alban-Tal zu Basel, zuzuweisen.

Weshalb aber finden sich – anders als beim Psalter Campells – der Name des Jacob Parcus oder zumindest die Nennung von Basel als Druckort nicht im Impressum von Bifruns Neuem Testament? Der Wortlaut des Impressums könnte den Druck als Privat­druck ausweisen; diese Erklärung greift jedoch zu kurz. Es muss an die Situation der Basler Drucker im Vorfeld der Gegenreformation erinnert werden. Die Basler Obrigkeit suchte mit Hilfe einer Zensur deren Interessen, nämlich Drucke für alle verfeindeten Religionsparteien herstellen und vertreiben zu können, zu wahren. Zu den beschlossenen Massnahmen gehörte auch das Weglassen oder eine fingierte Angabe des Druckorts; in extremen Fällen wurde sogar entschieden, einen ‹anstössigen› Druck in einer anderen Stadt erscheinen zu lassen. Für solche Fälle war Parcus, der in Lyon und Basel druckte und Beziehungen auch zu Vertretern der Bündner Reformation pflegte, ein idealer Partner, speziell wegen seiner Erfahrung mit fremdsprachigen Drucken.

Doch warum liess Bifrun sein ‹Neues Testament› nicht in Poschiavo bei Dolfin Landolfi erscheinen, dem Drucker seiner ersten Publikation von 1552 und Lehrmeister von Stevan Zorsch Chiatauni? Remo Bornatico führt uns auf die richtige Spur: Der Inquisitor für Oberitalien hatte in den Jahren nach 1553 bei den Drei Bünden offiziell wegen des Drucks und der Verbreitung häretischer Schriften durch Landolfi interveniert. Der Druck einer nicht autorisierten Bibelübersetzung hätte Landolfi in weitere Schwierig­keiten gebracht, ja sogar Bifruns Projekt an sich gefährdet.

Somit bleiben zur Druckgeschichte von Bifruns Neuem Testament keine Fragen mehr offen.