Bibliophile Schätze
von Dagmar Brunner
sph-Kontakte Nr. 106 | Juli 2019
Ausstellung mit Buchkunst von Claire-Lise Dovat in der Allgemeinen Lesegesellschaft Basel, 11.4.–13.4.2019
Tausende von Briefmarken aus aller Welt lagern in den Schubladen im kleinen Arbeitszimmer von Claire-Lise Dovat, nebst vielen Büchern, Papieren, Werkutensilien. Die Gestaltungslust der Waadtländerin ist überall sichtbar und scheint kaum Grenzen zu kennen. Schon zur Berufszeit wirkte sie u. a. fünf Jahre lang im Basler Marionettentheater mit, bildete sich in Figurenbau und Figurenspiel, später auch in Buchbinderei weiter und betreibt seit 2001 ihr eigenes ‹Schattentheater› mit befreundeten Bühnenprofis. An der letzten Museumsnacht trat sie damit in der Basler Papiermühle auf. Als frühere wissenschaftliche Bibliothekarin an der Universitätsbibliothek Basel hat sie ein enges Verhältnis zu Büchern. Und findet es doch nicht unerhört, sie zu verändern und zu veredeln. Zum Beispiel die schönen Bände der Insel-Bücherei. Als diese 2012 ihr hundertjähriges Bestehen feierte, veranstaltete die Sammlerin Julia Vermes eine Ausstellung mit Künstlerbüchern zu der Reihe; zwei davon stammten von Dovat. Seither sind rund 30 weitere Unikate entstanden, denn sie habe nicht mehr aufhören können, gesteht die Gestalterin. Die Fülle an Material erlaubt ihr vielfältige Kreationen, die oft mehr als eine hübsche Fassade zu bieten haben. Kunst und Poesie. Denn Claire-Lise Dovat ist auch eine passionierte Leserin. So sind z. B. die Seiten aus Rilkes ‹Briefe an eine junge Frau› zu Couverts gefaltet, die Dovat mit Briefmarkenporträts von Frauen versieht – darunter Alice Rivaz, Paula Modersohn- Becker, Aloïse Corbaz, Fanny Hensel oder Bettina Eichin. Alle Couverts enthalten zudem ein Gedicht Rilkes, das Dovat zur jeweiligen Frau passend auswählte. Mit einem handgeschnitzten Brieföffner, der ebenfalls beiliegt, kann man die Umschläge öffnen oder ihr Textgeheimnis bewahren – ein subtiler Kunst- und Lesegenuss. Die umgestalteten – übermalten, beklebten, bedruckten, beschnittenen –, neu interpretierten Insel-Bändchen lassen sich indes nur schwer beschreiben, aber in einer kleinen feinen Ausstellung können die bibliophilen Schätze bewundert werden.
Dieser Artikel ist erschienen in der Programmzeitung, April 2019