50 Jahre jung: das centro del bel libro in Ascona
von Dieter Kläy, Präsident cbl
sph-Kontakte Nr. 101 | Oktober 2015
Ende Mai feierte das centro del bel libro, kurz cbl, in Ascona sein nun schon ein halbes Jahrhundert währendes Bestehen. Die Buchbinderszene aus dem deutschsprachigen Raum und die Spitzenverbände der grafischen Branche gaben sich die Ehre und wünschten dem Jubilar für die nächsten fünfzig Jahre alles Gute.
Rund hundert Buchbinderinnen und Buchbinder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz feierten in Ascona ein Wochenende lang den 50. Geburtstag des centro del bel libro. Den Auftakt machte bereits am Freitagabend eine Fachtagung mit rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Mit Bernhard Sanders aus Österreich und Veronika Schäpers aus Deutschland referierten zwei international anerkannte Fachkräfte über die Zukunftsaussichten des schönen Buches. Mit dem, was sie als «Vision und Zukunft des schönen Buches» skizzierten, lieferten sie den aufmerksamen Zuhörern viele Anregungen. Entsprechend rege war die Teilnahme des Publikums, als die beiden Referenten im Anschluss unter der Leitung des Vizepräsidenten des cbl, Hans Burkhardt, mit der Schulleiterin Suzanne Schmollgruber diskutierten – es ging um weit mehr als eine Standortbestimmung des Berufes der handwerklichen Buchbinderei.
Am Samstag folgten dann der offizielle Festakt, bei dem neben einer Ansprache und diversen Glückwünschen und Grussbotschaften auch der kreative Kurzfilm «Buchdomino» von Hans Rohrer viel Beifall erhielt, sowie die Verleihung des von der Stiftung zur Förderung des Bucheinbandes (SFB) alljährlich vergebenen Nachwuchspreises. Im Anschluss konnte die Festgemeinde in der Schule an der Via Collegio die eingereichten und prämierten Arbeiten des Jugendleistungswettbewerbes bestaunen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten endeten mit der Vernissage einer Fotoausstellung zur Geschichte des centro del bel libro in der Casa Serodine. Edwin Heim erinnerte die Besucher der Ausstellung in zahlreichen Anekdoten an gemeinsam Erlebtes.
Reiche Vergangenheit
Es begann im Sommer 1965, als Josef Stemmle in der Passagio San Pietro die Legatoria artistica eröffnete. Der Zürcher Buchbindereiunternehmer verwirklichte damit seine Idee, einer breiten Öffentlichkeit das Buch in all seinen Ausprägungen näher zu bringen: eine Kombination aus Papierschöpferei, Buchbinderei, Galerie und Schule. Das war weltweit einzigartig. Als sich Stemmle 1978 vom centro del bel libro trennen musste, sprang der Verein der Buchbindereien der Schweiz (VBS) ein und betrieb die Fachschule als Instrument der beruflichen Weiterbildung auf hohem Niveau weiter. Damals wurde auch der Trägerverein centro del bel libro ascona aus der Taufe gehoben. Zwischen 1978 und 1984 leitete der bekannte Solothurner Buchbinder Hugo Peller die Schule. 1984 übernahm Edwin Heim, einer der ersten Schüler am centro, den Fachbereich Bucheinband und Gestaltung. Bereits 1982 wurde ein eigener Fachbereich Buch- und Papierrestaurierung gegründet, der bis Ende 2013 unter der eigenständigen Führung verschiedener Schulleiterinnen und Schulleiter ein gesondertes Kursprogramm anbot. Heute führt die hoch qualifizierte und international renommierte Handbuchbinderin Suzanne Schmollgruber den Fachbereich Bucheinband und Gestaltung.
In den vergangenen Jahren hat sich das Kursangebot schrittweise neuen Realitäten angepasst. Interessierte Buchliebhaber ohne umfassende Buchbindervorbildung sind im centro ebenso willkommen wie Schulklassen mit ihren Lehrkräften, die sich einen Zugang zum Papier und zum Buch verschaffen wollen. Für dieses Zielpublikum werden massgeschneiderte Kurse angeboten. Im Zentrum steht aber immer noch die qualifizierte Weiterbildung von Buchbinderinnen und Buchbinder mit entsprechender Fachausbildung.
Blick in die Zukunft
Heute bietet das cbl Handbuchbindern, Grafikern, Restauratoren und anderen Interessenten mit entsprechenden Qualifikationen ein anspruchsvolles Forum kreativer Auseinandersetzung in technischer wie in gestalterischer Hinsicht. Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer können sich hier nach internationalen Standards in den verschiedensten Methoden und Techniken weiterqualifizieren, sie ihre Fähigkeiten überprüfen und Kenntnisse vertiefen, sich anregen lassen, mit anderen austauschen und vor allem Wege gehen, die ihnen im Alltag meist versagt bleiben. Denn die Ausbildung in Ascona findet an einem Ort statt, der fernab ist von Routine, von Zeit- und Leistungsdruck; das centro bietet eine Atmosphäre kreativer Praxis und Selbstreflexion.
Damit und auch, wenn es in Zukunft noch enger mit Organisationen ähnlich gelagerter Interessen und Zielsetzungen koordinieren wird, kann es dem Druck des Marktes und der schwindenden Zahl von Buchbinderinnen und Buchbindern etwas entgegenhalten zu können, wird sich das cbl.
Das cbl ist die führende Weiterbildungsschule rund um das Thema Papier, Bucheinband und Gestaltung und will das auch bleiben. Durch Innovation, kreative Ideen und der Verbundenheit mit dem traditionellen Buch wie auch dem Medium Papier entstehen hier Kunstwerke im Bereich Bucheinband und Gestaltung. Bei der Papier- und Buchrestaurierung steht die Weiterentwicklung unter Berücksichtigung der konservatorisch richtigen Vorgehensweise im Vordergrund. Als eduQua zertifizierte Schule erfüllt das cbl einen hohen Stand an Qualität. Ob ausgebildete Buchbinderinnen und Buchbinder oder interessierte Bibliophile mit einem Flair fürs Buchbinden – jeder Kursteilnehmer und jede Kursteilnehmerin hat im mediterranen Umfeld von Ascona schöne Erlebnisse und nimmt auch handwerklich viel mit nach Hause.
Weitere und aktuelle Informationen finden sich auf der Website des centro: www.cbl-ascona.ch