50 Jahre Helvetica – Kleine Sonderausstellung in der Basler Papiermühle zum runden Geburtstag einer Schrift
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sph-Kontakte Nr. 86 | Dezember 2007
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M.K. Viele kennen sie heute als «Arial», dem Plagiat vom Microsoft, Macintosh-User haben sie als Standardschrift auf ihrem Rechner. Die Rede ist von der Helvetica, einer Schrift, die dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern kann. Sie war nicht die erste Grotesk-Schrift, und doch traf sie 1957 einen Nerv der Zeit. Heute begegnen wir ihr auf Schritt und Tritt. Ob auf Strassenschildern, am Flughafen oder an Bahnhöfen, oder in Firmenlogos wie die von Vögele, Manpower, Panasonic oder Ex Libris, um nur einige zu nennen. Unter allen westlichen Schriften ist heute die Helvetica die am meisten angewendete, angebotene (aber auch kopierte) Schrift. Zum runden Geburtstag der Schrift zeigt die Basler Papiermühle bis zum 30. Juni 2008 eine kleine Jubiläumsausstellung.
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Ökonomische Notwendigkeit und ästhetisches Bedürfnis
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Noch in der Nachkriegszeit wurden serifenlose Groteskschriften bei den Drucksachen vergleichsweise wenig geschätzt. In den deutschsprachigen Tageszeitungen war immer noch Frakturschrift üblich und die Antiqua galt als gediegene Buchschrift, die für gepflegte Geschäfts- und Werbedrucksachen zu verwenden sei. Nur gerade 20% aller verwendeten Schriften waren Groteskschriften, eingesetzt vor allem wegen ihrer sachlichen, neutralen Ausstrahlung und plakativen Wirkung für Reklame, Plakate und Beschriftungen. Doch die Zeit war reif für eine neue Schrift, die serifenlos auch als Buch- und Akzidenzschrift Gefallen finden sollte. In Basel, in der Haas’schen Schriftgiesserei machte man sich ans Werk und schuf zusammen mit Max A. Miedinger (1910–1980), einem Grafiker aus Zürich, der schon vorgängig für die Haas’sche gearbeitet hatte, die Schrift der Zukunft: «… Aus den diversen vorausgegangenen Unterhaltungen mit Fachleuten waren mir die diesbezüglichen Wünsche genau bekannt und ich wusste daher, wie die neue Schrift aussehen musste, damit sie auf Jahrzehnte hinaus stich- und hiebfest blieb …» berichtet später Eduard Hoffmann-Feer, der damalige Leiter der Haas’schen Schriftgiesserei.
Miedinger setzte ein neues, bisher wenig gewohntes Verhältnis der Ober- und Unterlängen zu den Mittellängen fest, die das neue Schriftbild prägte. Die auffallend kurzen Ober- und Unterlängen betonten die Horizontale, was erwiesenermassen die Lesbarkeit der Schrift erhöhte. Eduard Hoffmann-Feer berichtet weiter, dass «man sich vor allem in dem Punkt einig war, dass die neue Grotesk durchgehend die gleiche Liniendicke und Rundungen beibehalten soll, wobei mit zu berücksichtigen war, dass alle Buchstaben mit vollen Formen, also a m s w M W an bestimmten Stellen leicht zu verdünnen seien, und zwar jeweils dort, wo dies vom Auge am wenigsten wahrgenommen wird, das heisst, meist im Innern der Schriftbilder.» Die neue Grotesk, die auf dem Rechteck und dem Oval aufgebaut war, durfte nicht den Anschein machen, mit Reissschiene und Zirkel konstruiert worden zu sein. Ausnahmen statt Regeltreue bildeten daher die Leitlinien der Gestaltung.
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Die Erfolgsgeschichte wird zum Verhängnis
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1957 stellte die Schriftgiesserei Haas an der internationalen grafischen Schau in Lausanne, der ‹graphic 57›, die neue Schrift vor. Damals trug sie noch den Namen «Neue Haas-Grotesk». Die Schriftgiesserei D. Stempel AG in Frankfurt/Main, seit 1954 Mehrheitsaktionärin bei Haas, erkannte die Qualität der Neuen Haas-Grotesk und entschloss sich, diese Schrift in Deutschland mit anzubieten. Bedingung für eine echte Marktakzeptanz einer Schrift war damals die Lieferbarkeit passender Matrizen für die Setzmaschinen (Monotype oder Linotype). Da die Stempel AG damals die Alleinherstellerin der Setzmaschinenmatrizen für die Linotype war, und 1941 Linotype Mehrheitseigner über Stempel wurde, nahm auch Linotype die neue Schrift, nun unter dem Namen Helvetica, in ihr Matrizenprogramm auf. Durch die Verfügbarkeit der Helvetica als Matrize der Linotype Setzmaschinen setzte ab 1961 auch in Deutschland ein Boom ein. Bei der Vermarktung der Helvetica hatte Stempel von Anbeginn nicht nur die Buchdruckereien, sondern auch die Grafiker und Werbefachleute im Visier. Quasi als Opfer der beginnenden Globalisierung konnte Haas in Basel von ihrem grossen Wurf nicht profitieren. Zwar behielt Haas die Lizenz auf den Basis-Schnitten Miedingers, doch der Ausbau zu einer ganzen Schriftfamilie wurde nach Frankfurt zu Stempel verlegt. Haas wurde in Folge mit der eigenen Schrift konkurriert.
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Eine Schrift – tausend Gesichter
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Allein schon die ‚Neue Haas-Grotesk‘ in den Garnituren Halbfett und Mager, die Max A. Miedinger für Haas in Basel entwickelte, erfuhr eine unerwartet hohe Nachfrage. Die Stempel AG in Frankfurt baute die Schrift mit den Abwandlungen «leicht», «kursiv leicht», «breitmager», «breithalbfett» und «schmalmager» zu einer Helvetica-Familie aus. Später, 1988, unter der Leitung der Linotype wächst die ‚Helvetica‘ zu einer Familie von beachtlichen 110 Schnitten (Garnituren) und wird damit mit Abstand die am breitesten vermarktete Schriftfamilie. Kein anderer Hersteller der Welt bietet eine nur halb so weit ausgebaute Schriftfamilie an.
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Neuer Katalog zum Jubiläum
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Unter dem Titel „Helvetica forever. Geschichte einer Schrift“ ist nun auch ein aufwendig gestalteter und 160 Seiten umfassender Katalog zu Ehren dieser Erfolgsgeschichte erschienen. Herausgegeben wurde er von Victor Malsy und dem Helvetica-Experten Lars Müller, unterstützt durch unser langjähriges sph-Mitglied und Sohn des damaligen Leiters der Haas’schen Schriftgiesserei Alfred E. Hoffmann. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich.
ISBN 978-3-3778-046-6.
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