Lochpapiere in der Unterhaltungsbranche – Notenrollenpapiere

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von Yasmine Kerber

sph-Kontakte Nr. 101 | Oktober 2015

Abb. 1 und 2: Aufgewickelte Notenrollen (oben) und Ausschnitt einer perforierten Hupfeld 88er Phonola Notenrolle. Notenrollen bestehen aus einem Papierband, das auf einen Kern aufgewickelt ist und von zwei Wangen begrenzt wird. Auf der Notenrolle ist das Musikstück in Form von Löchern und Schlitzen gespeichert, welche in Spuren eingeteilt sind und Tonhöhen und -dauer steuern. Die Steuerangaben werden in einer im selbstspielenden Musikinstrument – Selbstspielklavier, Orgel oder Orchestrion – enthaltenen Ablesevorrichtung erkannt und pneumatisch abgetastet.

Der Traum, ohne Notenkenntnis und tägliches Üben musizieren zu können, wurde Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts möglich gemacht. Man brauchte dazu nur, so schien es, an einem mechanischen Musik­instrument die Handkurbel zu betätigen, ein Pedal zu treten oder einen Knopf zu drücken. Das unverzichtbare Element im Hintergrund ist die zuvor in die Abspielvorrichtung eingesetzte Notenrolle. Eine kleine im Instrument ausgelöste Hebelbewegung reichte dann aus, und wie von Geisterhand wird das Instrument gespielt, die gewünschte Melodie erklingt durch die ablaufende Notenrolle und die Tasten der Klaviatur tanzen von selbst.

Die Notenrolle ist ein sogenannter Tonsteuerungs­träger und nimmt eine besondere Position in der Geschichte der Unterhaltungsbranche ein, da sie als erster digitaler Datenträger für Musik gelten kann.

Papiernotenrollen kamen ab ca. 1900 als Nach­folger älterer Tonsteuerungsträger wie der Stiftwalze zur ­Steuerung fast aller mechanischer Musikinstrumente zum Einsatz. Sie wurden bis etwa 1930 produziert und dann von Schallplatten und deren Abspielgeräten, Radio und Tonfilm abgelöst. Doch was steckt hinter diesen scheinbar simplen Papierwickeln?

Der Anlass dieses Artikels ist Martin Kluges im August 2014 erschienener Artikel «Löcher im Papier – Zur Geschichte perforierter Papiere als Daten­träger». Die Geschichte der perforierten Daten­träger  und insbesondere der Notenrollenpapiere ist damit noch nicht fertig erzählt, sondern fordert nach einer Fortsetzung. Gerade die Notenrollenpapiere als Vertreter der Industriepapiere sind in Entstehung und Rezeptur allgemein schwierig zu erfassen und wenig erforscht. Vor diesem Hintergrund soll auch die Bemerkung Kluge’s verstanden werden: «Eine systematische Untersuchung des Materials steht noch aus. Vielleicht gelingt es ja zukünftigen Arbeiten auf diese Weise, mehr Licht in das Dunkel zu bringen.» Herausforderung angenommen: Dem vorliegenden Artikel liegt die Masterthesis in Papierrestaurierung der Verfasserin zugrunde. Inwiefern die Papiere auch über die Abschlussarbeit hinaus und trotz gründ­licher Aufarbeitung ein spannenendes Mysterium bleiben, wird hier thematisiert.

Der Verkauf und Gebrauch von Noten­rollen stand Anfang des 20. Jahrhunderts in engem Zusammenhang mit dem Handel von Instrumenten. Im Jahre 1919 wurden ca. 100’000 bis 150’000 Kunstspielklaviere auf der ganzen Welt gefertigt. Einige Musikaliengeschäfte waren auf den Verleih von Notenrollen spezialisierte und die Besitzer selbstspielender Klaviere besassen häufig umfassende Rollen­sammlungen.

Die wichtigsten Herstellungsländer mechanischer Musikinstrumente waren die USA und Deutschland. Führende Unternehmen der Branche waren M. Welte & Söhne, Freiburg i. Br., Ludwig Hupfeld A.G., Leipzig und Aeolian Organ and Music Company (Aeolian Company), New York. Diese bedeutenden Hersteller mechanischer Musikinstrumente betrieben eigene Notenrollenfabriken, der Papierbedarf wurde von Spezialherstellern zugesichert. Es kann angenommen werden, dass sich die Papiere je nach Hersteller unterschieden. Eine kleine Terminologie-Übersicht zeigt, dass Synonyme wie «Musikrollenpapier», «Pianola­papier» oder englische Ausdrücke wie «player piano paper», «paper for music rolls» / «music roll paper» und «orchestrion paper» in einschlägiger Literatur zu finden sind. Nicht zu verwechseln ist das besagte Papier mit «Musikpapier», «Notenpapier», «Notendruckpapier» oder «Notenschreibpapier», denn damit wird in der Regel ein gut geleimtes, glattes, festes Schreibpapier bezeichnet, worauf mit Tinte Noten geschrieben wurden.

Abb. 3: Um neu produzierte Rollen zu prüfen, stand bei der Firma Q.R.S. ein Player Piano in den Papierproduktionshallen. Quelle: Reblitz 1981, S. 70.

Nach haptischer und optischer Inspektion wurden hingegen Notenrollen von eifrigen Begutachtern auch schon als «lackiert» oder «beiderseits pergaminiert» beschrieben. In Papier- und Papier­sorten­lexika sind sie nur mit spärlichen und knappen Einträgen vertreten. Auch deutsche Archive, Bibliotheken und andere Institutionen scheinen, das ergaben Fahndungsanfragen zu früheren Herstellerfirmen, keine Geheimnisse bezüglich Notenrollen betreffenden Rezepten und technologischen Herstellungsmerkmalen zu hüten. Doch einige ermittelte Quellenfragmente helfen weiter.

Ein Hinweis, dass Notenrollenpapiere als eigene Papiersorte geführt wurden, gibt im Jahre 1923 ein gewisser Direktor Th. E. Blasweiler: «Die gesamte Fabri­kation der Notenrollenpapiere liegt in den Händen von ein paar deutschen Papierfabriken, die durch jahrelange Erfahrungen und geeignete Maschinen ein hochwertiges Fabrikat liefern. Abgesehen davon, daß der Bedarf dieser Spezialpapiere hierdurch gedeckt sein dürfte, ist es anderen Papierfabriken nicht zu empfehlen, die schwierige Herstellung von Notenrollenpapier aufzunehmen, da die meisten Versuche in dieser Hinsicht mit einem Mißerfolg geendet haben.»

Fast macht es den Anschein, dass Herr Blasweiler mit diesen warnenden und abschreckenden Worten vor allem weitere Papiermacher-Konkurrenz hinter sich lassen wollte. Doch er hat sich tiefer mit der technologischen Prüfung dieser Papiere beschäftigt. In seinem Beitrag «Betrachtungen über Notenrollenpapiere» werden sechs damals «im Handel befindliche Notenrollenpapiere» nach ihren Eigenschaften, allerdings nicht immer konsequent, beurteilt: Dicke, Flächengewicht, Oberflächenbeschaffenheit, Durchsicht, Stoffzusammensetzung (mikroskopische Faseranalyse), Farbton, «tintenfeste Leim­festigkeit», Qualität der Zerfaserung nach Kochen in 1%iger ­Natronlauge, Festigkeitseigenschaften wie Reisslänge, Dehnung und Falzzahl (Doppelfalzungen). Technologische Schritte zur Herstellung dieser Papiere im Detail wie z.B. die Verwendung von Papiermaschinen­typen oder der Einsatz von Appretur­massen, fehlen jedoch weitgehend.

Ein bezüglich Papierkunde vorerst unspektakulärer Zeitungsbericht berichtet im Wochenblatt für Papierfabrikation unter der Rubrik «Geschäfts- und Personalnachrichten» mit für die Mitarbeiter einer Papierfabrik existenzbedrohenden Schlagzeilen: «Die Papierfabrik G.m.b.H. vorm. Brüder Kämmerer in Osna­brück [hat] ihrer ganzen Belegschaft von 390 Mann zum 16. September gekündigt. Als Grund wird angegeben, daß die Verschmutzung des Wassers der Hase die Weiterführung des Betriebes unmöglich macht.»

Liest man weiter, offenbart der Artikel jedoch Aufschlussreiches zur Herstellung von Notenrollenpapieren: «Die Papierfabrik G.m.b.H. vorm. Brüder Kämmerer in Osnabrück stellt auf 6 Papiermaschinen zähe Kraftpapiere, Isolier-, Kabel-, Schmirgel- und Spinnpapiere, Vulkanfiber-Rohpapier, Musikrollenpapier und Sackpapier her.» Dies dokumentiert, dass Notenrollenpapiere zu den technischen Spezialpapieren gehörten und gemeinsam im Zuge der Industrialisierung mit anderen technischen Papieren produziert wurden.

Auch 1982 ist der Begriff «Musikrollenpapier» noch in Kotte’s Papierlexikon Welches Papier ist das? vertreten: «Für die perforierten Musikrollen der früheren Musikautomaten verwendetes besonders zähes, stark satiniertes, wenig dehnfähiges Lochstreifenpapier, in der Regel stärkeres Tauenpapier. Kaum noch gebräuchlich.» Kotte erläutert damit, dass sich Notenrollenpapiere ­historisch-typologisch von verwandten Datenträgern wie Lochkarten, also Jacquardpappen für Webstühle oder Lochstreifen für Fernschreibgeräte, ableiten lassen und ihnen für den technischen Einsatz spezifische Eigenschaften abgerungen wurden. Notenrollen­papiere und andere Datenträgerpapiere weisen somit gemeinsame materialspezifische Eigenschaften auf: grosse Festigkeit, gute Stanzbarkeit, vorhandene Abnutzungsresistenz, auffallende Luftdichtigkeit und Glätte und eine geringe Dehnung und Schrumpfung.

Die Einhaltung dieser Anforderungen bzw. Eigenschaften bringt papiertechnologische Herausforderungen mit sich, was wiederum Blasweiler verdeutlicht: «Es ist nun selbst für den gewandten Papiermacher nicht leicht, die […] Eigenschaften dem Papiere in hinreichendem Maße zu geben, da sie teilweise eine einander entgegengesetzte Papiermaschinenarbeit verlangen.» Betrachten wir doch einmal die relevantesten Eigenschaften dieser Papiere genauer.

Was die Eigenschaft der Stanzbarkeit betrifft, erläutert Arthur Ord-Hume, Verfasser zahlreicher Bücher über Aviatik und mechanische Musikinstrumente, mit gewissem Humor die Unter­legenheit gestanzter Notenrollenpapiere gegenüber ­perforierten Toilettenpapieren und Briefmarken: «Perforations in paper make it easy to tear the paper, a ­feature much cherished by toilet-paper makers and dispensers of ­postage stamps, yet not one high on the Iist of desirables in the world of piano-roll punchers.»

Nichtsdestotrotz ist genau diese Stanzbarkeit eine der essenziellen Eigenschaften von Notenrollenpapieren. Gute Stanzbarkeit bedeutet, dass ein Notenrollenpapier eine saubere Lochung aufweisen muss, damit Fasern und Papierstaub keine Verstopfungen der Luftkanäle beim Gleitblock im mechanischen Musikinstrument und damit ein Tonversagen verursachen. Technologisch wird dafür in erster Linie hartes, festes und zähes Papier benötigt, das einen gewissen Widerstand gibt sowie dicht und kompakt ist. Geeignete Rohstoffe dafür sind holzfreie (Nadelholz)zellstoffe mit Hadernanteil und Papiere mit einer Oberflächenleimung. Auch eine starke Satinage kann das Fasern und Stauben von Notenrollen­papieren verhindern. Dies kann damit erklärt werden, dass eine Kalandrierung das Papier verdichtet, es wird in der Folge dünner und in diesem Sinne auch härter.

Für ein Lochstreifenpapier, um auf die verwandten Datenträger zurückzukommen, wird die Verwendung von Echtpergamentpapier empfohlen: «Dank der durch die Pergamentierung erfolgten Verhornung der Faseroberflächen läßt es sich gratfrei lochen ohne auszufasern. Es neigt auch nicht zum Stauben, zumal die Schnittkanten glatt und gratfrei sind, und verschleißt auch die Stanzstempel weniger als andere Papiere, zumal wenn es wie die Sorten L 3 und L 4 geölt ist.»

Abb. 4: Handstanzung bei der Firma Aeolian um 1912. Quelle: Suidman «Pianola‘s» 1981, S. 82f.

Abb. 5: «Punching line» mit bis zu 12 Papierlagen beim Notenrollenhersteller Artona in Grossbritannien. Quelle: Ord-Hume 2004, S. 284.

Ein Notenrollenpapier sollte Geschmeidig­keit und Glätte aufweisen, um Reibung, die das Abspieltempo beeinflussen könnte, zu vermeiden. Als Voraussetzung der Satinage müssen Papiere gefeuchtet werden, damit die Fasern geschmeidig sind. Ist ein Papier aber zu glatt, kann sich das während des Einsatzes kontraproduktiv auswirken, da ein sehr glattes Papier über die Aufwickelwalze rutschen könnte und dies Musikpausen verursachen würde oder sich das Papier elektrostatisch aufladen könnte.

Die Dimensionsstablität ist die häufigste erwähnte Eigenschaft des Notenrollenpapiers in Werbe­an­zeigen und Papiersortenlexika. Dimensionsveränderungen können eine akustische Fehlwiedergabe zur Folge haben, da die Perforierungen im Papier dann nicht mehr mit den Löchern im Gleitblock übereinstimmen. Es wurden auch Papiere in tropische Länder exportiert, sogenannte Tropenpapiere, die besonders klimaresistent sein mussten. Technologisch gesehen sollte auch hier die Wahl auf einen geeigneten Rohstoff und eine nicht zu hohe Mahlung desselben fallen. Schon während der Papierproduktion muss auf die Spannung, Trocknung und Satinage der Papierbahn besondere Achtsamkeit gelegt werden. Einige Werbeanzeigen und Lexikoneinträge bezeugen den Einsatz von Imprägniermitteln, um Musikrollenpapiere besser gegen Klimaschwankungen sowie starke Abnützung auszurüsten. Ullmann schreibt bezüglich Notenrollenpapieren: «Am besten sind Papiere mit Oberflächenleimung (Tierleim) oder sonstiger Nachimprägnierung.» Woanders findet sich die Angabe: «A tough, partly parchmentized paper is also used”.

Für u.a. die erwähnten Tropenpapiere entwickelte die Firma Hydroloid Ltd. ein am 25. Oktober 1922 angemeldetes Patent mit dem Titel «Improvements in or relating to Paper and the like applicable for Music Rolls and other purposes». Das britische Unternehmen hält fest, dass das Papier für Musikrollen, obwohl erstklassig und teuer, atmosphärischen Einflüssen gegenüber nicht genügend Bestand hat. Die Firma wollte mit ihrer Erfindung deshalb eine Imprägniermethode anbieten, um Musik­rollen­papiere besser gegen Klimaschwankungen und deren negative Auswirkungen beim Abspielen im Instrument sowie starke Abnützung auszurüsten. Die Imprägniermethode umfasst ein umfangreiches Verfahren, das den Einsatz verschiedenster Appretur­stoffe nach einer fast alchemistischen Rezeptur vorsieht. Ein im Papier-Fabrikant erschienener ­Artikel fasst den Inhalt des Patentes kurz zusammen: «Nach dem Verfahren der Hydroloid, Ltd. wird das Papier für Musikrollen vorzugsweise vor dem Perforieren mit einem Gemisch aus leimenden und härtenden Substanzen behandelt, unter Walzendruck gepresst, nass aufgerollt, 24 h stehen gelassen und alsdann auf Trockengestellen mittels warmer Luft getrocknet. Ein schnellerer und besserer Leimungsgrad soll durch Zusatz von Alkalien erreicht werden. Nach dem Erhärten des Papiers wird es durch Behandlung mit Glyzerin, Seife, Rizinusöl oder ähnlichem weich und zäh wie Leder gemacht. Ein Firnisaufstrich gibt endlich dem Papier höchste Haltbarkeit. Musikrollenpapier für tropische Länder kann zweckmässig mit geschmolzenem oder emulgiertem Wachs bearbeitet werden.» Diese Imprägnierungsschritte für Notenrollenpapiere wurden nahezu identisch für die Herstellung von wasserresistenten Druckpapieren und Isolationspapieren für elektrische Kabel eingesetzt, deren Patente von der Firma Hydroloid Ltd. am gleichen Tag eingereicht wurden.

Ist ein Forscher am Werk, hofft er nicht nur, auf Patentschriften wie die obige und andere aufschlussreiche Quellenfragmente zu stossen, sondern er erwartet auch bei der Anwendung wissenschaftl­icher Analysen möglichst bahnbrechende Entdeckungen. Im vorliegenden Fall wurden Materialanalysen eingesetzt, um die bisher in der Literatur vorgefundenen Materialeigenschaften der Papiere empirisch nach­weisen zu können. Neben Untersuchungen der Grund­eigenschaften wie Dicke, Flächengewicht, ­Volumen, Laufrichtung, mikroskopischen Faser­analysen und Analysen des Leimungsmittels an histo­rischen Papierproben wurden in der Papierprüfung verbreitete Messungen zu den physikalischen Eigenschaften wie Dimensionsstabilität, Luftdurchlässigkeit nach Gurley und Glätte nach Bekk durchgeführt, und zwar in der Papierfabrik Ziegler in ­Grellingen.

Abb. 6: Prüfgeräte der Papierfabrik Ziegler in Grellingen. Von links nach rechtsdienen sie der Untersuchung von Dimensionsstabilität, Glätte nach Bekk, Luftdurchlässigkeit nach Gurley.

Bei der Betrachtung der Messresultate stellte sich eine gewisse Ernüchterung ein. Die Messergebnisse liessen sich aufgrund der fehlenden Aussagekraft der materialanalytischen Untersuchungsmethoden nur

sehr eingeschränkt oder gar nicht interpretieren. Nach einer Weile kam es dann zu denm Eingeständnis, dass es auch kleine Beobachtungen und Spurenaufdeckungen sein können, die hoffentlich neue Forschung anregen. So hat sich gezeigt, dass die Dimensions­stabilität eine tragende Eigenschaft dieser Papiere darstellt. Die Anforderung der Dimensionsstabilität kann je nach Art der technologischen Umsetzung der Anforderung der Luftdichtigkeit widersprechen. Wird die Luftdichtigkeit durch schmierige Mahlung des Faserstoffes erzielt, vermindert das die Dimensionsstabilität. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Luftdichtigkeit ein eher sekundäres Kriterium bei der Notenrollenpapierherstellung darstellt. Zu dieser Erkenntnis haben im Papier vorkommende Wasserzeichen der Firmen Hupfeld oder Schüller & Meissner beigetragen: Ein Gleitblock im Instrument tastet die ganze Papierbreite pneumatisch ab und somit auch die Wasserzeichen, die weniger dichte Stellen im Papier kennzeichnen. Diese Wasserzeichen widersprechen somit der geforderten Luftdichtigkeit bei Notenrollenpapieren. Diese unterschiedlich dichten Stellen im Papier müssten akustische Fehlinter­pretationen bei der Abtastung verursachen; dies ist aber nicht der Fall.

Abb. 7: oben: Wasserzeichen einer Hupfeld 88er Phonola; unten: Wasserzeichen einer Schüller & Meissner Notenrolle.

Abschliessend lässt sich sagen: An der Entwicklung des idealen Notenrollenpapieres wurde ständig experimentiert. Für die Produktion wurden ganze Maschinenparks eingesetzt, die technologischen Einflussfaktoren sind also vielseitig. Bekräftigt wird die Komplexität bei der Papierherstellung auch durch die Einflussfaktoren, welche die Eigenschaft der Dimensionsstabiliät bei der heutigen Papiererzeugung steuern: Faserstoffart, Mahlungszustand der Faserstoffe, Füllstoffanteil, Einsatz von Leimungsmitteln und Nassfest­mitteln/Leimung, Faserorientierungs­profil, Gleich­mässigkeit der Trocknung, Bahnspannung zwischen den Antriebsgruppen der Papiermaschine sowie Spannung der Trockensiebe bzw. Trockenfilze sind entscheidend. Doch auch mit diesem Wissen bleibt die Entschlüsselung der historischen Produktionsmethoden weiterhin eine grosse Herausforderung.

Wechseln wir nun den Schauplatz von den Papierproduktionsstätten und Materialprüfungs­laboren und kehren zurück in den Konzertsaal. Wird eine Notenrolle zum Abspielen im Instrument eingesetzt, beeinträchtigt die lang und breit besprochene Papierqualität das Spiel wahrscheinlich geringer als die Tatsache, dass die Notenrolle als funktionales Objekt abgespielt wird. Schlechte Voraussetzungen wie ungünstig eingestellte Wangen, gestanzte und für die Stabilität nachteilig positionierte Löcher, welche schnell einreissen, oder ein schlangenförmiger Bandablauf als Folge von Dimensionsveränderungen können zu Beschädigungen an der Notenrolle führen. Viele Beschädigungen treten beim Rückspulen der Notenrolle auf, weil dieser Vorgang mit erhöhtem Tempo geschieht. Ein häufig beobachtetes Schadensbild ist das seitliche Einreissen des Papieres, das sich über weite Strecken hinziehen kann. Papier ist in dieser Hinsicht eben doch gleich Papier; auch ein gut ausgetüfteltes Notenrollenpapier kann schlussendlich mechanischen Belastungen nur ungenügend die Stirn bieten. Doch so lange das Papier melodische Töne von sich gibt, wird daran wohl niemand denken.