Ein Buch zum Museum* – Der neue Führer durch die Basler Papiermühle

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von Nana Badenberg

sph-Kontakte Nr. 100 | März 2015

Nach der umfassenden Sanierung der Basler Papiermühle ist nun zur Jahreswende auch ein der Neugestaltung entsprechender, reich illustrierter Museumsführer erschienen, der die Besucher auf ihrem Weg durch die Mühle begleitet bzw. sie zu Hause im Lesesessel den Rundgang nachempfinden und vertiefen lässt. Erzählt wird historisch und kulturell ausgreifend viel Wissenswertes – von der Geschichte des Museums und seiner Sammlungen, über die Bestände selbst und über die Entwicklung der Papierherstellung, des Schriftgusses und der verschiedenen Druckverfahren als solchen. Von der inhaltlichen Bandbreite her ist es also ein Parforceritt. Martin Kluge gelingt gleichwohl ein unterhaltsames Nebeneinander von papier- und schriftgeschichtlichen Essentials und ergänzenden, durchaus informativen Anekdoten. Wer kennt etwa die nicht entzifferbare Rongorongo-Schrift der Osterinseln oder die australischen Storchenschnäbel, die als sprechende Objekte eingesetzt werden, um von unsagbar Traurigem, vom Tode zu künden? Und fast ebenso exotisch scheint uns heute die Erinnerung an den Fotosatz oder gar an die Akzidenzdruckereien der Belle Epoque, die ihre ausgefalleneren Gestaltungen im Wochenlohn abrechnen durften und deren historistische Auswahl an Zierleisten und Zeigehändchen das Schriftbild der Zeit prägte (hier allerdings wird auf den Charme anschaulicher Beispiele verzichtet).

Die Geschichte des Basler Museumsgebäudes sollte den Lesern der SPH-Kontakte zwar hinlänglich bekannt sein, sie sei hier aber trotzdem kurz referiert: Die Mühle selbst – einst Klingentalmühle geheissen – stammt noch aus den Zeiten, bevor Basel

mit dem Konzil zur ‹Papierstadt› wurde. Im Jahr 1453 baute der Piemonteser Papier­macher Antonio Galliciani die damals als Hammerschmiede fungierende Mühle im St. Alban-Tal für seine Zwecke um; über ein halbes Jahrtausend hinweg wurde das Gebäude fast durchweg für die Herstellung von Papier und Druck genutzt (die vier wichtigsten Umbauphasen sind dank Modellabbildungen leicht nachzuvollziehen), bis in ihm 1980 ein alle Sparten umfassendes Arbeitsmuseum eingerichtet wurde, das in dieser Ausrichtung nach wie vor einzigartig ist. Zu dem branchenübergreifenden Gesamtbild beigetragen hat sicher auch, dass sich das Museum bei seiner Entstehung aus zwei komplementären Sammlungen speisen konnte: der papierhistorischen Sammlung Walter F. Tschudins und den von Eduard Hoffmann-Feer einbrachten Beständen der Haas’schen Schriftgiesserei.

Der Museumsführer stellt die einzelnen medialen Kapitel in der Reihenfolge vor, in der die Realien benötigt bzw. von den Besuchern erkundet ­werden können. Allem voran also die Herstellung des Beschreibstoffes Papier und seiner Vorläufer: Die verschiedenen Schöpftechniken werden ins Bild gesetzt, unterschiedliche Fasern vorgestellt, der historische Weg des Papiers gen Westen geschildert und dort schliesslich die Entwicklung vom handgeschöpften Hadernpapier mit seinen Wasserzeichen zur breiten Palette ausdifferenzierter Maschinenpapiere. All das in einer aufgrund des knappen Raumes gebotenen konzisen Kürze. Denn es folgen noch zentrale Kapitel über Schriftentwicklung und Schreibwerkstätten im Manuskriptzeitalter (etwa die des Diebold Lauber im elsässischen Hagenau mit einem halben Dutzend Lohnschreibern und fast dreimal so vielen Illustratoren) und über die Erfindung des Buchdrucks und seiner Verfeinerung insbesondere in der Humanistenstadt Basel – für deren Bedeutung mag der gern und auch hier zitierte Satz des Druckers Michael Wenssler gelten: «Obwohl Mainz die Druckkunst erfunden hat, hat sie Basel eigentlich aus dem Dreck gezogen». Sodann werden in zwei weiteren Kapiteln noch der Schriftguss abgehandelt, der Bilderdruck, die Bindetechniken und das Buntpapier.

Wo die Materialvielfalt des abwechslungsreich illustrierten Bändchens durch allzu verwinkelte Räume des historischen Gebäudes führt, schaffen Marginalien mit kernigen Zahlen und Fakten Orientierung und bieten nützliche Zusatzinformationen. Diese Marginalien sind

übrigens in der Helvetica gesetzt, der wohl erfolgreichsten unter den Haas’schen Schriften, die zudem dank der akribischen Protokolle von Eduard Hoffmann-

Feer in all ihren Entstehungsschritten zwischen 1956 und 1965 dokumentiert ist. Und der Buchumschlag aus

handgeschöpftem Papier ist in der Mühle produziert – so trägt man mit diesem Führer tatsächlich ein Stück Museum nach Hause. Lesenswert und erhältlich (übrigens auch auf Englisch) ist es natürlich auch ohne Museumsbesuch.

Martin Kluge: Die Basler Papiermühle. Ein Führer durch das Schweizerische Museum für Papier, Schrift und Druck. Basel 2014, 104 S., br., Sfr 28.—

* Die ursprüngliche kürzere Fassung dieses Beitrags erschien im Januar 2015 in der Basler ProgrammZeitung unter dem Titel «Schöpfen und Schreiben».